Die Ampel ist Geschichte, mit der Entlassung des Finanzministers Christian Lindner (FDP) und dem Rücktritt zweier weiterer FDP-Minister:innen hat Deutschland aktuell nur noch eine Minderheitsregierug aus Grünen und SPD. Die nächsten Wochen und Monate werden politisch sehr turbulent, so viel ist klar. Wir wollen jedoch vorher einmal zurückschauen. Hier kommt unser Ampel-Koalitionscheck.
2021 hatte die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag zahlreiche Versprechen gemacht, was sie in der folgenden Legislaturperiode umsetzen möchte. Manche Themen waren von großer medialer Aufmerksamkeit begleitet, andere gingen geräuschlos über die Bühne. Doch wie viel von ihren Versprechungen hat die Ampel nun eigentlich umgesetzt? Wir haben uns 19 zentrale Versprechen aus dem Koalitionsvertrag herausgesucht und analysiert, ob die Ampel sie halten konnte. Das Fazit fällt gemischt aus.
Versprechen:
“Wir werden das Klimaschutzgesetz noch im Jahr 2022 konsequent weiterentwickeln und ein Klimaschutz-Sofortprogramm mit allen notwendigen Gesetzen, Verordnungen und Maßnahmen auf den Weg bringen. Wir werden Klimaschutz zu einer Querschnittsaufgabe machen, indem das jeweils federführende Ressort seine Gesetzentwürfe auf ihre Klimawirkung und die Vereinbarkeit mit den nationalen Klimaschutzzielen hin prüft und mit einer entsprechenden Begründung versieht (Klimacheck).” (S. 43)
Zentral im Versprechen der Ampel war, dass jedes Ressort selbst dafür Verantwortung trägt, die Klimaziele in seiner Gesetzgebung zu beachten. Das neue Klimaschutzgesetz der Ampel wurde allerdings schon in der ersten Anhörung massiv dafür kritisiert, dass es die Verantwortung der einzelnen Ressorts verschleiere. Tatsächlich basiert das neue Klimaschutzgesetz jetzt darauf, dass die Regierung in der Gesamtverantwortung ist. Einzelne Sektoren mit hohem CO2-Ausstoß, wie Gebäude oder Verkehr, fallen dadurch nicht mehr auf den ersten Blick negativ auf.
Außerdem kritisierten die Sachverständigen, dass erneut die Reduktion von CO2-Ausstößen in die Zukunft verschoben, statt, wie bisher, in der Vergangenheit evaluiert wird. Die Bundesregierung framed das etwas schmeichelhafter als “Vom Rückblick zum Ausblick”. Doch auch Verbände wie NABU kritisieren, dass die Ampel sich damit aus der Verantwortung gezogen habe. Diese sei “wieder einmal auf die nächste Bundesregierung verschoben” worden. Sie sprechen sogar von einem “Riesen-Rückschritt für den Klimaschutz”. Auch “Fridays for Future” kritisiert die “verfassungswidrige Entkernung des Klimaschutzgesetzes” und kündigte Verfassungsbeschwerden an.
Versprechen:
“Wir machen es zu unserer gemeinsamen Mission, den Ausbau der Erneuerbaren Energien drastisch zu beschleunigen und alle Hürden und Hemmnisse aus dem Weg zu räumen.” (S. 44)
Die Ausbauziele für erneuerbare Energien im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wurden von der Ampel erneuert und stark erhöht. So sollen bis 2030 jetzt 215 GW Leistung an Solaranlagen installiert sein statt bisher geplante 100 GW. Windkraftanlagen an Land sollen bis 2030 auf eine installierte Leistung von 115 GW statt nur 71 GW ausgebaut werden, auf See sollen es laut “Windenergie-auf-See-Gesetz” 30 GW statt 20 werden. In Summe soll also die Leistung der installierten Windkraftanlagen bis 2030 145 GW statt, wie zuvor geplant, 91 GW betragen.
Ob diese Ziele bis 2030 erreicht werden, können wir natürlich nicht vorhersagen. Die Ampel hat sich allerdings jährliche “Zwischenziele” ausgerechnet, die geschafft werden müssen, damit wir beim Ausbau der erneuerbaren Energien auf Kurs bleiben. Ende 2024 müssten demnach 88 GW an Solarenergie erreicht werden. Aktuell (Stand: Ende September) sind es bereits 94,5 GW an Leistung installiert. Das Ziel wurde also übererfüllt.
Für Windenergieanlagen an Land müssten bis Ende des Jahre 69 GW installiert sein. Aktuell (Stand: Ende September) sind es jedoch nur rund 62,6 GW. Das Ziel wird bis Ende des Jahres voraussichtlich nicht mehr erreicht. Für Windenergieanlagen auf See wurden bisher 9,2 GW an Leistung installiert, womit der Kurs aus dem Flächenentwicklungsplan 2023 für die deutsche Nordsee und Ostsee eingehalten wird.
Insgesamt hat die Ampel damit Fortschritte beim Ausbau der Erneuerbaren Energien geschafft. Sie hat sich höhere Ziele gesteckt, diese allerdings nur teilweise eingehalten. Weitere Fortschritte mussten außerdem erst von der Zivilbevölkerung erkämpft werden. Zum Beispiel boomt mittlerweile die Branche der Balkonkraftwerke – allein seit Jahresbeginn hat sich die Zahl der installierten Balkonkraftwerke verdoppelt.
Der Weg dahin war allerdings nicht ganz einfach: Eine Petition, die Installation und vor allem Anmeldung massiv vereinfachen wollte, wurde zunächst im Bundestag fast blockiert. Am Ende wurde diese Petition (eine der größten Bundestags-Petitionen überhaupt!) dann aber doch zu einem großen Erfolg. Einige der Forderungen wurden sogar relativ zeitnah umgesetzt und dürften damit zum aktuellen Balkonsolar-Boom beigetragen haben. Es kann sich also tatsächlich lohnen, sich zivilgesellschaftlich zu engagieren – man muss nur dranbleiben.
Versprechen:
“Zur Einhaltung der Klimaschutzziele ist auch ein beschleunigter Ausstieg aus der Kohleverstromung nötig. Idealerweise gelingt das schon bis 2030. […] Dafür werden wir den für 2026 im Kohleausstiegsgesetz vorgesehenen Überprüfungsschritt bis spätestens Ende 2022 analog zum Gesetz vornehmen.” (S. 46)
Dieses Versprechen zu bewerten, ist schwierig. Durch die schwammige Formulierung, man wolle den Kohleausstieg “idealerweise” auf 2030 vorziehen, hat sich die Ampel natürlich alle Türen offen gehalten. Sie wurde dafür von zivilgesellschaftlichen Organisationen kritisiert, die sich ein festes, vorgezogenes Ausstiegsdatum gewünscht hätten. Mittlerweile scheint es allerdings komplett vom Tisch zu sein, den Ausstieg vorzuziehen. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht den vorgezogenen Kohleausstieg nicht mehr als Projekt der Ampel.
Auch die Überprüfung des Kohleausstiegs auf 2022 vorzuziehen hat nicht geklappt, die Evaluation wurde einfach verschleppt.
Versprechen:
“Ab 2023 werden wir […] die Verschuldung auf den verfassungsrechtlich von der Schuldenbremse vorgegebenen Spielraum beschränken und die Vorgaben der Schuldenbremse einhalten.” (S. 126)
Die Schuldenbremse steht im Grundgesetz Art. 115 und besagt, dass Deutschland sich jedes Jahr um maximal 0,35% seines Bruttoinlandsproduktes neu verschulden darf. In Ausnahmesituationen kann die Schuldenbremse ausgesetzt werden – so zum Beispiel während der Corona-Pandemie. Ende 2023 wollte die Regierung dann 60 Milliarden Euro an nicht mehr benötigten Corona-Geldern für Klimaschutz nutzen. Das verbot das Bundesverfassungsgericht allerdings, wodurch eine Haushaltskrise entstand.
Nicht zuletzt wegen der Entwicklungen im letzten Jahr gibt es deshalb viel Kritik an der Schuldenbremse. Tatsächlich musste die Schuldenbremse auch für 2023 wieder ausgesetzt werden. Die Ampel hat somit ihre Vorgabe aus dem Koalitionsvertrag, die Schuldenbremse 2023 wieder einzuhalten nicht erfüllt.
Versprechen:
“Wir werden den gesetzlichen Mindestlohn in einer einmaligen Anpassung auf zwölf Euro pro Stunde erhöhen. Im Anschluss daran wird die unabhängige Mindestlohnkommission über die etwaigen weiteren Erhöhungsschritte befinden.” (S 55)
Die Ampel hat den Mindestlohn im Oktober 2022 auf 12€/Stunde gehoben. Auf Empfehlung der Mindestlohnkommission stieg der Mindestlohn am 01.01.2024 auf 12,41€ und wird ab dem 01.01.2025 bei 12,82€ liegen.
Die Ampel hat ihr Versprechen damit umgesetzt, dennoch gibt es weiterhin Kritik von Gewerkschaften, dass der Mindestlohn weiterhin deutlich zu niedrig liege.
Versprechen:
“Unser Ziel ist der Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen.” (S. 69)
2022 und 2023 wurden jährlich knapp unter 300.000 Wohnungen fertiggestellt. Auch im öffentlich geförderten Wohnungsbau wurde das Ziel weit verfehlt: 2023 wurden 49.430 geförderte Wohnungen gebaut. 2022 waren es sogar nur 22.545.
Versprechen:
“Wir verlängern die Mietpreisbremse bis zum Jahre 2029.” (S. 71)
Die Mietpreisbremse soll dafür sorgen, dass in angespannten Wohnungsmärkten die Miete bei neu abgeschlossenen Mietverträgen nicht mehr als 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf.
Im April 2024 hatte sich die Koalition eigentlich darauf geeinigt, die im Koalitionsvertrag festgehaltene Verlängerung auch umzusetzen. Stand jetzt ist es unklar, wie es mit der Mietpreisbremse weiter geht. Im Oktober war immerhin ein erneuerter Gesetzentwurf entstanden. Dieser verlängert die Mietpreisbremse aber nur noch bis zum Jahr 2028.
Versprechen:
“Anstelle der bisherigen Grundsicherung (Hartz IV) werden wir ein Bürgergeld einführen.” […] Wir gewähren in den ersten beiden Jahren des Bürgergeldbezuges die Leistung ohne Anrechnung des Vermögens und anerkennen die Angemessenheit der Wohnung. Wir werden das Schonvermögen erhöhen und dessen Überprüfung entbürokratisieren, digitalisieren und pragmatisch vereinfachen.” (S. 59)
Die Bundesregierung hat zum 01. Januar 2023 das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) durch das Bürgergeld ersetzt. Das Schonvermögen wurde auf 40.000€ erhöht. Allerdings wird das Vermögen nur für das erste Jahr nicht angerechnet, statt für die ersten zwei Jahre, wie es im Koalitionsvertrag stand. Im Zuge der geplanten Verschärfungen beim Bürgergeld soll diese Zeit sogar auf sechs Monate gekürzt werden.
Darüber hinaus gab es auch Kritik an weiteren geplanten Verschärfungsmaßnahmen. Insgesamt ist durch das Ende der Ampel nun sowieso unklar, wie es für das Bürgergeld weitergehen kann.
Versprechen:
“Wir wollen mit der Kindergrundsicherung bessere Chancen für Kinder und Jugendliche schaffen und konzentrieren uns auf die, die am meisten Unterstützung brauchen.” (S. 78)
Tatsächlich gibt es die Kindergrundsicherung bis heute nicht. Finanzminister Christian Lindner (FDP) war nicht bereit, genügend finanzielle Mittel bereitzustellen. Für den ersten Gesetzesentwurf gab es dann vor einem Jahr auch jede Menge Kritik von Sachverständigen. Sie zweifelten vor allem an, ob die geplante Bündelung mehrerer Sozialleistungen in der Praxis wirklich zu Vereinfachungen führen würde. Schon da war sehr fraglich, ob die Kindergrundsicherung wirklich als umfassende Reformation kommt.
Von der Kindergrundsicherung bleiben jetzt nur noch Überreste wie eine Erhöhung von Kindergeld und -sofortzuschlag um je 5 Euro sowie Anhebung des Kinderfreibetrags übrig. Sozialwissenschaftler Stefan Sell hält die Kindergrundsicherung deswegen für “faktisch begraben”. Im Haushaltsentwurf 2025 ist von der Kindergrundsicherung fast nichts mehr übrig.
Versprechen:
“Wir werden innerhalb des ersten Jahres das Wahlrecht überarbeiten, um nachhaltig das Anwachsen des Bundestages zu verhindern. Der Bundestag muss effektiv in Richtung der gesetzlichen Regelgröße verkleinert werden. Eine Verzerrung der Sitzverteilung durch unausgeglichene Überhangmandate lehnen wir ab.” (S. 10)
Die Verkleinerung des Bundestags wurde von der Ampel durchgebracht, allerdings erst nach knapp 2,5 Jahren: Am 17. März 2023 kam eine Wahlrechtsreform zur Reduzierung der Abgeordnetenzahl durch, womit die Anzahl der Sitze im Bundestag auf 630 gedeckelt wird. Damit steht jetzt im Gesetz eine feste Anzahl an Sitzen, statt nur eine Zahl “vorbehaltlich der sich aus diesem Gesetz ergebenden Abweichungen”.
Allerdings verlief der Prozess recht stürmisch, unter anderem CDU/CSU und Linke klagten dagegen, dass die Ausnahmen von der 5%-Hürde wegfallen. Tatsächlich hat auch das BVerfG entschieden, dass die Grundmandateklausel zunächst einmal bestehen bleiben muss.
Versprechen:
“Wir werden das aktive Wahlalter für die Wahlen zum Europäischen Parlament auf 16 Jahre senken. Wir wollen das Grundgesetz ändern, um das aktive Wahlalter für die Wahl zum Deutschen Bundestag auf 16 Jahre zu senken.” (S. 10)
Das Wahlalter für die Europawahl wurde von der Ampel-Koalition, wie versprochen, auf 16 Jahre gesenkt. Das Wahlalter auch für die Bundestagswahl abzusenken, konnte die Ampel-Koalition nicht durchsetzen – dafür müsste sie das Grundgesetz ändern, wofür sie eine ⅔-Mehrheit bräuchten. Die haben sie nicht allein. Allerdings ist auch bei der FDP offenbar nicht mehr klar, ob sie überhaupt noch diese Absenkung wollen, wie im Koalitionsvertrag versprochen.
Versprechen:
“Wir schaffen ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht. Dafür werden wir die Mehrfachstaatsangehörigkeit ermöglichen und den Weg zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit vereinfachen. Eine Einbürgerung soll in der Regel nach fünf Jahren möglich sein, bei besonderen Integrationsleistungen nach drei Jahren. Eine Niederlassungserlaubnis soll nach drei Jahren erworben werden können. In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern werden mit ihrer Geburt deutsche Staatsbürgerinnen bzw. Staatsbürger, wenn ein Elternteil seit fünf Jahren einen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.” (S. 94)
Tatsächlich ist seit dem 27. Juni §25 des Staatsangehörigkeitsgesetzes weggefallen. Darin war früher geregelt, dass ein Deutscher seine Staatsangehörigkeit verliert, wenn er die eines anderen Landes annimmt. Es gab schon zuvor Ausnahmen, z.B. für EU-Bürger:innen. Doch die Ampel hat nun wie versprochen die Mehrfachstaatsangehörigkeit für alle ermöglicht.
Eingebürgert werden kann man nun, sobald man seit 5 Jahren in Deutschland wohnt, früher waren es acht. Aufgrund besonderer, strenger Integrationsleistungen kann sich diese Frist auf drei Jahre (früher maximal sechs) verkürzen. Fachkräfte dürfen durch eine Änderung des Aufenthaltsgesetzes nun schon nach drei Jahren eine Niederlassungserlaubnis bekommen (früher vier). Ein in Deutschland geborenes Kind von ausländischen Eltern erhält die deutsche Staatsbürgerschaft, wenn die Eltern zuvor mindestens fünf Jahre rechtmäßig in Deutschland gelebt haben (zuvor acht).
Die Ampel hat also alle hier zitierten Versprechen gehalten.
Versprechen:
“Gemeinsam mit den Ländern werden wir die öffentlichen Bildungsausgaben deutlich steigern und dafür sorgen, dass die Unterstützung dauerhaft dort ankommt, wo sie am dringendsten gebraucht wird. Mit einer Stärkung der frühkindlichen Bildung, besseren Startchancen in sozial benachteiligten Schulen, einem Digitalpakt 2.0 und einem grundlegend reformierten BAföG legen wir den Grundstein für ein Jahrzehnt der Bildungschancen.” (S. 74)
Bildung ist in Deutschland größtenteils Ländersache. Da das oben zitierte Versprechen auch relativ allgemein gehalten ist, ist es auch schwierig, ein genaues Fazit abzugeben.
Für das Jahr 2024 wollte Finanzminister Christian Lindner (FDP) die Ausgaben für Bildung und Forschung ursprünglich um über eine Milliarde Euro kürzen. Nach Kritik an diesen Kürzungen wurde schließlich beschlossen, dass die Ausgaben auf dem Niveau von 2023 (~21,5 Milliarden Euro) bleiben werden. Das stellt weiterhin eine Erhöhung im Vergleich zu 2020 hin. Damals wurden rund 18,3 Mrd. Euro für Bildung und Forschung ausgegeben.
Der Digitalpakt 2.0 ist noch nicht beschlossen. Zuletzt gab es Streit über die Finanzierung zwischen Bund und Ländern. Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) möchte nur noch 2,5 Mrd. Euro an Bundesmitteln bereitstellen – beim ersten Digitalpakt waren es noch 6,5 Mrd. Euro. Es ist nicht klar, wie es nach dem Ampel-Aus (bei dem auch der Posten der Bildungsministerin neu besetzt wurde) für den Digitalpakt weitergeht.
Zu BAföG siehe unten.
Versprechen:
“Das BAföG wollen wir reformieren und dabei elternunabhängiger machen.” (S. 76)
Es gab 2022 und 2024 Reformen des Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Die Freibeträge vom Elterneinkommen, die für die Prüfung des BAföG-Anspruchs genutzt werden können, wurden von der Ampel 2022 um 20,75% und 2024 erneut um 5,25% erhöht. Damit haben nun tatsächlich deutlich mehr Menschen Anspruch auf die Förderung, BAföG wurde elternunabhängiger.
Ob diese Reformen ausreichen, ist umstritten. Verbände kritisieren vor allem, dass die Sätze (also das Geld, was tatsächlich ausgezahlt wird) nur sehr geringfügig erhöht wurden (2024 um maximal 43 Euro pro Monat).
Versprechen:
“Wir wollen die Kinderrechte ausdrücklich im Grundgesetz verankern und orientieren uns dabei maßgeblich an den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention.” (S. 77)
Es gab keine Änderung im Grundgesetz, die sich auf die Kinderrechte bezieht. Für eine solche Änderung hätte es eine ⅔-Mehrheit im Parlament gebraucht, die die Ampel nicht hat.
Versprechen:
“Es wird keine Rentenkürzungen und keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters geben. Um diese Zusage generationengerecht abzusichern, werden wir zur langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und Rentenbeitragssatz in eine teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung einsteigen.” (S. 57)
Das Renteneintrittsalter wurde nicht angehoben und es gab auch, wie versprochen, keine Kürzungen. Ein Gesetzesentwurf zur Stabilisierung des Rentenniveaus und der Einführung der Aktienrente wurde im September erstmals im Bundestag debattiert. Es ist unklar, wie es nach dem Ende der Ampel damit weiter gehen wird, doch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat angekündigt, dass das Rentenpaket noch bis Jahresende verabschiedet werden soll.
Versprechen:
Wir werden das Transsexuellengesetz abschaffen und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzen. Dazu gehören ein Verfahren beim Standesamt, das Änderungen des Geschlechtseintrags im Personenstand grundsätzlich per Selbstauskunft möglich macht, ein erweitertes und sanktionsbewehrtes Offenbarungsverbot und eine Stärkung der Aufklärungs- und Beratungsangebote. (S. 95)
Das Transsexuellengesetz wurde abgeschafft und am 01.11.2024 durch das Selbstbestimmungsgesetz ersetzt. Damit kann nun grundsätzlich der Geschlechtseintrag im Personenstand per Selbstauskunft geändert werden. Auch das Offenbarungsverbot ist darin vorhanden (§13). Damit ist es verboten, den Deadname, also den “früheren” Namen der Person, die ihren Geschlechtseintrag und Namen hat ändern lassen, zu offenbaren.
Auch wenn es Kritik aus der queeren Community an der Umsetzung des Gesetzes gibt, beispielsweise was die konkrete Durchführung beim Standesamt angeht, hat die Ampel dieses Versprechen damit umgesetzt.
Versprechen:
“Wir wollen Kultur in ihrer Vielfalt als Staatsziel verankern[…]” (S. 96)
Kultur als “Staatsziel” zu verankern, würde bedeuten, sie in die Verfassung aufzunehmen. Dazu bräuchte die Ampel eine ⅔-Mehrheit und damit vor allem die Unterstützung der CDU.
Es wurde schon bei einer öffentlichen Anhörung des Kulturausschusses im September 2023 deutlich, dass das wohl nicht klappen wird. Seit einem gescheiterten Treffen der Ampel mit der CDU im Februar liegt dieses Ziel nun wohl endgültig auf Eis.
Versprechen:
“Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein.” (S. 68)
Am 1. April dieses Jahres trat das Cannabisgesetz in Kraft. Innerhalb strenger Mengengrenzen dürfen Erwachsene in Deutschland nun privat Cannabis anbauen. Außerdem darf Cannabis über nicht-gewinnorientierte Anbauvereinigungen oder Clubs bezogen werden. Lizenzierte Geschäfte gibt es bislang nicht.
Dass die Ampel gescheitert ist, ist angesichts der turbulenten letzten Tage nicht zu übersehen. Doch wie hat sie sich inhaltlich in den letzten drei Jahren geschlagen?
Unsere Untersuchung von 19 Ampel-Versprechen aus dem Koalitionsvertrag kommt zu dem Ergebnis, dass 5 Versprechen (zumindest größtenteils) gehalten wurden. 6 Versprechen hat die Ampel teilweise gehalten, 8 Versprechen hat die Ampel gebrochen oder uns mit einer schlechteren Notlösung abgespeist.
Man kann jetzt daraus nicht berechnen, dass die Ampel zu x% gut oder zu y% schlecht gearbeitet hätte. Schließlich haben wir hier einige Aspekte des Koalitionsvertrags nicht beachtet. Außerdem wusste zum Zeitpunkt des Abschlusses des Koalitionsvertrags niemand, dass die Ampel mit einem offenen russischen Angriffskrieg und daraus resultierenden Krisen zu tun haben würde.
Dennoch hat die Ampel sich auch einige Fehltritte selbst zuzuschreiben. Das Beharren auf Kürzungen, um die Schuldenbremse einzuhalten, hat dazu geführt, dass viele eigentlich notwendige Investitionen nicht möglich waren. Gerade in Bereichen wie Klima und Sozialem musste die Ampel daher viele Versprechen kleinlaut einkassieren. Auch ihr langes Zögern bei der Unterstützung der Ukraine brach zwar mit keinem Koalitionsversprechen, sorgte aber zu Recht für viel Kritik von allen Seiten. Die Ampel fühlt sich für viele Menschen wie ein gescheitertes Experiment an.
Artikelbild: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++