Vor wenigen Wochen bat eine Mutter, die Gast in dem Café war, die Wirtin um ein Tuch, um ihr Kind zu wickeln. Die Wirtin verneinte dies und meinte stattdessen, sie solle doch ihr Kopftuch hierfür verwenden. Gäste des Cafés kommentierten den Vorfall später mit antimuslimischen und rassistischen Sprüchen. Im Anschluss rechtfertigte die Wirtin ihr Verhalten in einem Zeitungsinterview.
Heute [18.10.2024] stärkten wir mit etwa 30 Personen der betroffenen Frau den Rücken. Als ‚Aktionsbündnis 8. März‘ und als ‚Antifaschistischse Aktionsbündnis Stuttgart & Region‘ hatten wir zu einer Kundgebung auf dem Sindelfinger Wettbachplatz aufgerufen. Über den konkreten Vorfall hinaus ging es dabei um die gesellschaftliche Dimension des Problems, um weit verbreiteten Alltagsrassismus und patriarchale Frauenbilder.
Als Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart & Region ordneten wir die Geschehnisse in den Kontext der aktuellen gesellschaftlichen Situation ein. Wo rechte Narrative, quer durch die bürgerliche Politiklandschaft und diverse Medienhäuser, die gesellschaftliche Debatte bestimmen, ist es kein Wunder, dass auch Alltagsrassismus und reaktionäre Rollenbilder immer spürbarer werden.
Eine Rednerin des Aktionsbündnis 8. März kritisierte bei der Kundgebung die Aussage der Wirtin, dass sie „als deutsche Frau jegliches Kleidungsstück hergeben würde, um ihr Kind zu wickeln“. Die Erwartung, dass Mütter immer an alles zu denken und für jeden Fall perfekt vorbereitet sein müssten, ist Teil der patriachalen Rollenzuweisung an Frauen*. Darüber Hinaus ist die Aussage der Versuch, der betroffenen Frau die Schuld zuzuschieben und die Beleidigung zu rechtfertigen. Und zu schlechter Letzt, trennte sie rassistisch zwischen „deutschen“ und „nicht deutschen Müttern“.
Die stellvertretende Landessprecherin und Landesmigrationsbeautragte der Partei DIE LINKE hatte ein Grußwort für die Kundgebung geschrieben, in dem sie darauf einging, dass viele Frauen* antimuslimischen Rassismus erleben müssen und dass dies kein Ausrutscher, sondern Symptom eines tieferen Problems sind. Sie sprach sich für einen Feminismus aus, der alle Frauen* einbezieht – unabhängig von ihrer Religion oder Herkunft.
Ein Redebeitrag der iranischen Gruppe ‚Feminists4Jina‘ rundete die Kundgebung ab und kritisierte, dass die Wirtin in einem Presse-Artikel die feministischen Kämpfe im Iran instrumentalisiere, um das Tragen eines Kopftuchs zu bewerten. Dabei haben die Kämpfe im Iran die Parole „Ob mit oder ohne Hijab – gemeinsam für die Revolution“ und lassen sich an dieser Frage sehr bewusst nicht spalten.
Im Anschluss an die Kundgebung zogen gegen Teile der Anwesenden noch direkt vor das Cafe. Dort positionierte sich eine Gruppe Stammgäste vor dem Eingang und versuchte lautstark und krampfhaft das Vorgehen der Wirtin zu rechtfertigen.
Die heutige Aktion in Sindelfingen war nicht mehr, aber auch nicht weniger, als eine Ermutigung an Betroffene von rassistischen und patriarchalen Übergriffen, sich – kollektiv – zu wehren! Eine Erkenntnis, die in den kommenden Jahren einer steten gesellschaftlichen Rechts-Entwicklung immer wichtiger sein wird. Stehen und halten wir zusammen… Für eine schlagkräftige antifaschistische und feministische Bewegung!