Studie: Aufnahme von Geflüchteten läuft immer besser – und keiner kriegt es mit?

“Wir sind überfordert mit dem Ausländerhass, nicht mit den Flüchtlingen selbst”, sagte kürzlich ein CSU-Landrat im Interview. Auch eine Studie zeigt: Die Aufnahme von Schutzsuchenden in den Kommunen läuft immer besser. Wusstest du, dass anerkannte Asylbewerber unterdurchschnittlich kriminell sind? Schutzsuchende Männer, die bereits acht Jahre in Deutschland leben, arbeiten zu 86 %. Migration hat unsere Rentenkasse stabilisiert. Warum du in unserer heutigen Medienlandschaft kaum positive Fakten zu Flucht und Migration hörst und warum auch das die AfD stärkt. 

Die Kommunen in Deutschland kommen immer besser beim Unterbringungsmanagement von Schutzsuchenden zurecht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Migration Policy Research Group von der Universität Hildesheim. 

Die genannte Migration Policy Research Group wertete 773 Online-Fragebögen aus, die sie im Vorfeld an Kommunen geschickt hatte. Es wurden also direkt die Kommunen nach der Entwicklung der Unterbringung Geflüchteter befragt. Die eingegangenen Antworten sind über die Bundesländer und Gemeindegrößen breit gestreut. Es kommen aber nicht in jeder Kommune in Deutschland gleich viele Schutzsuchende an. Daher wurden die Umfrageergebnisse auf Ebene der Bundesländer nach dem Königsteiner Schlüssel gewichtet. Nach diesem Schlüssel werden Geflüchtete auf die Bundesländer verteilt. So wurden aussagekräftigere Ergebnisse erzielt. 

Und die wären: Obwohl in vielen Kommunen die Unterbringung Schutzsuchender herausfordernd bleibt, ging der Anteil überlasteter Kommunen von 40 % (Herbst 2023) auf 23 % zurück. 71 % der Kommunen schätzen die Unterbringungssituation vor Ort zwar als noch herausfordernd, aber machbar ein. Im Herbst 2023 waren das noch 60 %. Die Kommunen können zunehmend entlasteter arbeiten, die Herausforderungen im Migrationsmanagement entspannen sich, wenngleich noch knapp ein Viertel der Kommunen angibt, dass sie im Notfallmodus arbeiten müssen.

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Auch laut den Autor:innen der Studie sind es vor allem die Ausländerbehörden und Kitas, die oftmals deutlich herausgefordert oder überlastet sind.

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In Ausländerbehörden und Kitas mangelt es schon seit Jahren an Personal. Bundesweit fehlen ca. 430.000 Kita-Plätze, auf die Eltern von Kindern über einem Jahr eigentlich einen Rechtsanspruch haben. Anette Stein von der Bertelsmann-Stiftung sagt dazu:

„Der Fachkräftemangel erschwert es zunehmend, die Rechtsansprüche zu erfüllen und in den Kitas den Bildungsauftrag umzusetzen“

Warum nicht ein vermeintliches Problem nutzen, um ein anderes zu lösen? Am 23. Juni 2023 hatte der Bundestag eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, um dem Mangel an Fach- und Arbeitskräften entgegenzuwirken. Asylbewerbende, die auf dem Arbeitsmarkt benötigt werden, sollen in Deutschland bleiben dürfen, selbst wenn ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Voraussetzung dafür ist, dass sie fachlich qualifiziert sind und ein Jobangebot haben oder bereits beschäftigt sind. Diese Möglichkeit wird als Spurwechsel bezeichnet, da die Personen dadurch von ihrem Asylantrag auf den Weg der Arbeitsmigration wechseln.

Wir bräuchten mehr Personal in den Ausländerbehörden, um Asyl- und Arbeitsvisaanträge, Genehmigungen etc. viel schneller bearbeiten zu können. Nicht nur in Stuttgart, Magdeburg und Baden-Baden wurden aufgrund von Personalmangel in den Ausländerbehörden Schlagzeilen gemacht. Wenn es mehr Personal gäbe, könnten aber eben schneller mehr Menschen bei uns arbeiten und den Fachkräftemangel bekämpfen. Das bedeutet aber auch: weniger Sparpolitik, die schlussendlich nur die AfD stärkt, wie einige Studien suggerieren. Es gäbe Lösungen, die unter millionenfacher Vertreibung von Menschen liegen, wie es sich unter anderem die AfD auch erträumt. Der Hass auf Schutzsuchende und Rassismus sind Teil des Problems, nicht seiner Lösung.

Olaf von Löwis (CSU), Landrat des bayerischen Landkreises Miesbach, sagte in diesem Zusammenhang: 

“Ich denke, wir können die von uns erwartete Quote bei der Flüchtlingsunterbringung erfüllen. Wir sind überfordert mit dem Ausländerhass, nicht mit den Flüchtlingen selbst.”

Für eine Begrenzung des Zuzugs von Geflüchteten spricht er sich dennoch aus, vor allem, weil weiterhin die Ausländerbehörden überlastet seien, sowie weil die Anstrengungen für die Integration der bereits Angekommenen teilweise zu groß werden. Dennoch positioniert sich der CSU-Politiker klar gegen rechts und versucht gleichzeitig, alle Ängste und Bedenken wahrzunehmen und transparent zu kommunizieren. Er und seine Mitarbeiter:innen werden wiederholt persönlich wegen ihres Engagements angegriffen

Aber zurück zu den ermutigenderen News, zu der Verbesserung des Unterkunftsmanagements von Geflüchteten. Ein Grund für die Entlastung ist sicherlich, dass im ersten Quartal 2024 weniger Asylanträge gestellt wurden im Vergleich zum Vorjahr. Im Vergleich zu den Jahren 2015 und 2016 ist es den Kommunen aber auch gelungen, in der Zwischenzeit die Unterbringungskapazitäten deutlich auszubauen. Auch konnten in manchen Kommunen bessere Strategien zur koordinierten Aufnahme von Geflüchteten entwickelt werden. Zusammenfassend begreifen viele Kommunen also mittlerweile die Unterbringung als fortwährende Aufgabe, es gibt zusätzliche Kapazitäten und es wird sich auf die Aufnahme von weiteren Personen vorbereitet. 

Bei der Frage, welche Faktoren derzeit die Unterbringung von Geflüchteten in der Kommune erschweren, sieht die Bilanz so aus: 

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An erster Stelle steht also das Problem, dass Menschen, die eigentlich schon aus der kommunalen Unterbringung ausziehen dürften, dies verzögert tun. Der Wohnungsmangel macht leider auch vor Geflüchteten nicht halt. Auch hier könnte ein Abkommen von der rigiden Sparpolitik im Sozialbereich Abhilfe schaffen.

Aber im Vergleich zu Deutschen müssen sich Schutzsuchende auch noch mit Rassismus, auch bei der Wohnungssuche, herumschlagen. In einer repräsentativen Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sind 83 Prozent der Befragten der Ansicht, dass Diskriminierung aus rassistischen Gründen, wegen der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe oder der Herkunft aus einem anderen Land bei der Wohnungssuche in Deutschland eher häufig vorkommt. Damit ist der Wohnungsmarkt der Lebensbereich, in dem am meisten Befragte ein Problem mit rassistischer Diskriminierung vermuten.

Quelle

Menschen mit vermeintlich ausländisch klingendem Namen haben oft schlechtere Karten bei der Wohnungssuche und werden oft pauschal abgelehnt. Es ist also kein Wunder, warum Auszugsberechtigte nicht direkt ausziehen (können)! Auch hier ist das Problem, wie so oft, hausgemacht.

Aber nochmal zurück zur Studie der Migration Policy Research Group. Denn in dieser gibt es noch eine relevante und sehr interessante Differenzierung, welche Kommunen schon besser mit der Unterbringung von Geflüchteten klarkommen. Und zwar sind das ostdeutsche Kommunalverwaltungen. Genau dort, wo also bei den Kommunal- und Europawahlen die AfD deutlich zulegen konnte, schätzen die Kommunalverwaltungen die Unterbringungslage von Geflüchteten besser ein als westdeutsche und müssen seltener auf Notunterkünfte zurückgreifen

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In etwa jeder fünften befragten Kommune in Ostdeutschland heißt es, die Lage lasse sich „ohne große Schwierigkeiten“ managen – deutlich mehr als im Westen. Ein Grund dafür könnte sein, dass im Osten mehr Wohnraum zur Verfügung steht. 

Auch die Autor:innen der Studie sagen, dass die kommunale Belastung und die politische Stimmung vor allem im Osten “nicht unbedingt korrelieren”. Heißt auf nicht-akademisch: Rassismus und Rechtsextremismus ist ausgerechnet dort stark, wo die Kommunen eigentlich weniger belastet sind durch das Migrationsmanagement. Eigentlich paradox und ein Indiz dafür, dass die Stärke der AfD mehr von Propaganda abhängt als von der Realität.

Wer dagegen belastet ist, das sind die Schutzsuchenden. Politisch motivierte Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte nehmen bundesweit zu. In Brandenburg wurden in den ersten drei Monaten dieses Jahres 70 Straftaten gegen Geflüchtete und deren Unterkünfte registriert.

Ich noch mehr Fakten, die wahr sind, aber die du wohl kaum kennst:

Zwischen 2017 und 2022 beispielsweise war die Kriminalität fünf Jahre in Folge auf historisch niedrigem Niveau. Ja, wir lebten im wahrscheinlich sichersten Deutschland überhaupt und niemand hat das mitbekommen? Thema waren nur AfD, BILD-Schlagzeilen und buchstäblich Einzelfälle. Die Zahl ausländischer Tatverdächtiger von Gewaltverbrechen ist 2023 leicht Zurückgegangen ist

Schutzsuchende Männer, die bereits acht Jahre in Deutschland leben, arbeiten derzeit zu 86 % – im Vergleich zu 80 % bei Deutschen. Die Gründungsquote von Menschen mit Migrationshintergrund ist doppelt so hoch wie die von Einheimischen. Migranten haben unsere Rentenkasse stabilisiert.

Du fragst dich jetzt, warum du von diesen Nachrichten wahrscheinlich noch gar nichts mitbekommen hast? Dass anerkannte Asylsuchende weniger oft tatverdächtig werden als der Durchschnitt, ist eine Tatsache, die mit Blick auf die deutsche Medienlandschaft wie aus einer Parallelwelt klingen mag. Das ist nicht nur ein subjektiver Eindruck: Einige Studien zeigen, dass die deutsche Medienlandschaft in einigen Schlüsselthemen einen Rechtsdrall hat. Nicht nur bei Kampagnenblättern wie BILD, Welt & Co., sondern insgesamt.

Zu diesem Schluss kommt zum Beispiel die Studie „Fünf Jahre Medienberichterstattung über Flucht und Migration“ des Instituts für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. In der Studie wurde deutlich, dass die Medien als Ganzes die Realität über Flucht und Migration verzerrt wiedergeben. Während der absolute Großteil der Geflüchteten friedlich und gesetzestreu, nie tatverdächtig ist (98 % bei anerkannten Asylsuchenden) und oft auch vor Terror und damit Gewalt flieht, brachten die Medien die Schutzsuchenden überproportional mit Terror und Kriminalität in Verbindung. Im “schlimmsten” Quartal im Untersuchungszeitraum handelte jeder vierte Bericht davon! Das sind buchstäblich „BILD“-Werte an Stimmungsmache.

Auch eine weitere Studie des Mediendiensts Integration kam 2019 zum gleichen Ergebnis: Schutzsuchende wurden überwiegen negativ dargestellt und weit überproportional mit Kriminalität in Verbindung gebracht. Die Mehrheit der Straftaten von Deutschen interessiert niemanden, aber dann und nur dann, wenn Schutzsuchende beteiligt sind, wird das medial thematisiert.

Positive Nachrichten kriegen aber nicht die Resonanz in den wichtigsten deutschen Medien, die sie eigentlich brauchen. 

Das Unterbringungsmanagement von Schutzsuchenden läuft in den Kommunen immer besser, im Osten sogar noch besser als im Westen. Natürlich ist es alarmierend, dass im Durchschnitt ein Viertel der Kommunen immer noch im Notfallmodus arbeiten. Doch einige Kommunen geben an, dass sie jetzt auf längerfristig stabile Konzepte zurückgreifen können für das Migrationsmanagement.

Von den Schutzsuchenden aus der so genannten “Flüchtlingkrise” arbeiten die meisten, zahlen in die Sozialkassen ein und sind friedliche und gesetzestreue Mitmenschen und teils auch Mitbürger:innen geworden. Wir hatten einige der Jahre mit der niedrigsten Kriminalität seit der Wiedervereinigung. Obwohl wir so viele Menschen in diesem Land sind wie nie zuvor. Vermutlich hattest du sogar den Eindruck, dass alles seit Jahren immer gefährlicher geworden wäre, obwohl Deutschland jahrelang so sicher war wie noch nie. (Warum es 2023 wieder anstieg, ist hier erklärt.) Es ist nicht alles rosig gelaufen, aber manche könnten sagen, ein “Wir schaffen das” habe sich bewahrheitet -beziehungsweise ist ein erreichbares Ziel. 

Solche Nachrichten und Fakten zeigen, dass eben nicht Schutzsuchende ein pauschales und unlösbares Problem sind. Sondern sogar für andere Probleme die Lösung sein können. Dass die Dinge laufen können, wenn man sich darum kümmert. Und dass sie bereits laufen und funktionieren. Aber wenn Integration funktioniert, ist das halt leider keine Schlagzeile, über die man sich tagelang aufregen kann.

Man bekommt so etwas in einer in die Schieflage geratene Medienlandschaft jedoch nicht mehr mit. Die extreme Rechte hat nicht nur einen großen Propagandaapparat, sondern auch herausgefunden, wie sie die restliche, seriöse Medienlandschaft fast täglich dazu bringen kann, über ihre Themen zu reden. Selbst wenn die Geschichten teilweise sogar erfunden oder nie belegt wurden.

Wie gesagt, niemand will tatsächliche Probleme klein reden. Zur Zeit werden sie jedoch überwiegend aufgebauscht und oftmals durch Desinformation auch erfunden. So sehr, dass die Schlagzeilen in Summe längst nicht mehr die Realität abbilden, wie Studien zeigen. Viele Medien und Medienschaffende fragen sich, wie eine rechtsextreme Partei wie die AfD so stark werden kann: So.

Artikelbild: canva.com

 

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