Die FDP machte Grüne Klimapolitik & keiner bekam es mit

Eine der wichtigsten Abstimmungen für die Klimapolitik im Europaparlament aus dem April bekam breite Zustimmung – von den deutschen Liberalen wie den Grünen gleichermaßen. Die FDP wird oft für ideologische Blockadepolitik beim Klimaschutz kritisiert. Wenn die FDP gemeinsam mit den Grünen (und anderen, wie den Konservativen) Fossile teurer macht, lobt sie allerdings niemand.

Eine klare Mehrheit von 65 % der Stimmen gab es in einer Abstimmung im April für die Verschärfung des Emissionshandels in der EU. 

Die beteiligten Parteien haben auch nach der Wahl noch eine komfortable Mehrheit im EU-Parlament, sodass die Änderungen voraussichtlich auch so bleiben werden. Grüne und Liberale (Renew Europe) waren hier sogar einer Meinung! Richtig gehört, das geht! Hier lohnt es sich mal nachzusehen, was eigentlich hinter dem Emissionshandel steckt. 

Du solltest wissen, wie er funktioniert, denn er kann sonst ziemlich zur Kostenfalle werden. Für dich persönlich sogar.

Ökonomen sagen: CO₂ muss einen Preis haben. Denn: Die Verschmutzung der Atmosphäre verursacht hohe Kosten für uns alle. Nicht nur, aber auch durch so etwas wie solche Flutkatastrophen, die, wissenschaftlich erwiesen, durch die Klimakrise häufiger und heftiger werden:

Öl und Gas sind nur deshalb so billig, weil diese externen Kosten nicht berücksichtigt werden. Sprich: Die Folgen von Öl und Gas zahlen wir alle – der Steuerzahler. Der CO₂-Preis sorgt dafür, dass der Markt hier wieder so funktioniert, wie er sollte: Indem er alle Kosten berücksichtigt. Daher sind die meisten Parteien im Bundestag auch für einen CO₂-Preis – nicht nur die Grünen. Und das übrigens schon die ganze Zeit, auch wenn dir rechte Medien und populistische Sprüche vielleicht etwas anderes einreden wollen.

Bei der CO₂-Umlage legt der Staat den Preis für CO₂ fest. Beim Emissionshandel legt der Staat hingegen die Menge an CO₂ fest, die ausgestoßen werden darf. Der Preis für eine „Erlaubnis“, CO₂ auszustoßen, wird dann am Markt gebildet. 

In der Theorie ist es so, dass ein Emissionshandel effizienter und günstiger ist, als eine CO₂-Abgabe, wie sie aktuell in Deutschland in Kraft ist. Warum ist das so?

Erstens passt sich der Preis über den Markt den realen Bedingungen an. Wird er politisch festgelegt, dann müsste die Politik genau überlegen, welcher Preis nun zur gewünschten Emissionsreduzierung führen würde. Ist der Preis zu hoch, wird der Klimaschutz unnötig teuer, ist er zu niedrig, werden die Klimaziele nicht erreicht, was zu krassen wirtschaftlichen Kosten führt. Der Emissionshandel führt optimal implementiert zu genau dem Preis, der zu der gewünschten CO₂ Reduktion führt. 

Zweitens können Firmen untereinander Zertifikate handeln. Es macht natürlich Sinn, dass genau dort CO₂ als erstes reduziert wird, wo es am günstigsten ist. Ein Unternehmen kann aktiv seine Kosten senken, indem es nicht mehr benötigte CO₂-Zertifikate verkauft. 

Aber abgesehen von der Effizienz hat ein fester CO₂-Preis auch Vorteile. Er ist für Unternehmen planbarer und schwankt nicht so stark. Preisschocks werden vermieden. Daher war bisher in Deutschland ein fester Preis für CO₂ vorgesehen. Der wird aber ab 2027 in den EU-Emissionshandel überführt. 

Man muss sich auch vor Augen halten: Um die Klimaziele zu erreichen, steigt der CO₂-Preis im Emissionshandel eben so lange an, bis Menschen aufgrund des Preisdrucks in großer Zahl auf CO₂-neutrale Technologien umsteigen. 

Ist man aber ein Nachzügler und kann dann nicht schnell umsteigen, dann führt das eventuell zu extrem hohen Preisen.

Hier seht ihr, wie der CO₂-Preis pro Tonne auf EU-Ebene die nächsten Jahre ansteigen könnte. Das natürlich nur, wenn die entsprechenden Ziele dann auch erreicht werden. Ist das nicht der Fall, könnte der Preis sogar ein Vielfaches höher liegen. 

Zum Vergleich: In Deutschland stößt der durchschnittliche Deutsche 7 Tonnen CO₂ pro Kopf und Jahr aus, bei der ärmeren Hälfte der Bevölkerung sind es immer noch 5 Tonnen

Ohne Klimaschutzmaßnahmen könnte der marktbasierte CO₂-Preis laut Agora Energiewende sogar schon 2027 bei bis zu 200 € liegen. Bis 2040 könnte der Preis auf 400 € ansteigen. Aktuell sehen die Märkte das nicht ganz so dramatisch, die Futures für 2030 bei 80 € pro Tonne. 

Der Punkt ist aber, dass die Preise für CO₂ und damit für Gas in den nächsten Jahren massiv ansteigen. Eine Studie des MCC kommt zum Schluss, dass allein die zusätzlichen Kosten durch den Emissionshandel für Gasheizungen für die nächsten 20 Jahre zusätzliche Kosten von ca. 16.000 Euro und für Ölheizungen ca. 23.000 Euro für eine Familie im Einfamilienhaus verursachen wird. 

Das heißt einfach gesagt, dass Gas so lange so absurd teuer werden wird, bis auch der Letzte umgestiegen ist. 

Das Geld aus den Einnahmen ist ja nicht verloren, sondern der Staat kann entscheiden, was damit gemacht wird. Im Koalitionsvertrag ist eigentlich festgelegt, dass alle Bürger hier die Einnahmen direkt als „Klima-Geld“ ausgezahlt bekommen. Das würde zu einer absurden Situation führen: CSU, CDU und FDP sind ja für CO₂-Handel – suggerieren einige in diesen Parteien ihren Wählern aber gleichzeitig oft, dass sie ihre Verbrenner und Gasheizungen behalten können. Die zahlen dann also bald viel mehr in den Topf ein, als sie über Klima-Geld bekommen würden – während vielleicht Grünen-Wähler, die umsteigen, dann profitieren. CDU und FDP sollten ihre Wähler also aufklären über den CO₂-Handel, sonst wird es teurer – und gleichzeitig billiger für Grüne. Wir hatten das leicht satirisch hier erklärt:

Ironischerweise wollen die meisten das Geld aber nicht einstecken. Tatsächlich sind in Umfragen nur 30 % für ein solches Klima-Geld. Auch eine Umfrage des Nürnberger Instituts für Marktentscheidungen bestätigt das: Die meisten Bürger wünschen sich, dass das Geld für die grüne Transformation genutzt wird, anstatt es wieder auszuzahlen!

Rechte lügen hier gern mal über die Verwendung der Gelder, und behaupten, dass Geld für die Versorgung von Migranten verwendet werden würde. Es ist die alte „Ausländer-nehmen-dir-dein-Geld-Weg!“-Panikmache.

Tatsächlich fließen Gelder über den Klima- und Transformations-Fond in Klimaschutz im Gebäudebereich, den Ausbau der Bahn, Halbleiterproduktion in Ostdeutschland und die Wasserstoffindustrie. Alles Dinge, die Rechte offenbar richtig doof finden.

Ab 2025 soll dann aber auch ein Klimageld von 100 € pro Kopf dazukommen. 

Der Emissionshandel hat eine Schwäche: Er ist nicht global. Die EU hat zwar ein großes System geschaffen, aber viele Länder der Welt außerhalb der EU sind nicht dabei. Das birgt die Gefahr, dass Emissionen einfach nur verlagert werden. 

Diese „Carbon Leakage“ wird aber von der EU jetzt behoben. Wenn auf Importe im Herkunftsland noch kein CO₂ Preis gezahlt wurde, dann wird jetzt ein Zoll fällig. Gilt hingegen im Herkunftsland bereits ein vergleichbarer CO₂-Preis, ist das nicht notwendig. 

Damit wird verhindert, dass die energieintensive Industrie abwandert, denn auch im Ausland würde für alles, was nach Europa fließt, der entsprechende CO₂-Preis gültig. Außerdem sorgt er dafür, dass auch im Ausland Firmen sich Gedanken machen müssen, wie sie CO₂-neutral produzieren – denn sonst wären sie gegenüber europäischen Firmen im Nachteil, die auf CO₂-neutrale Technologien setzen. 

Viele Parteien haben im Wahlkampf suggeriert, dass Verbrenner und Gasheizungen noch jahrelang weiter betrieben werden können. Doch der CO₂-Emissionshandel ist in der EU-Gesetzgebung fest verankert. Er hat eine klare Mehrheit über politische Lager hinweg. Wenn auf Verbote verzichtet wird, regelt eben ein absurd hoher Preis für Öl und Gas den Umstieg auf Wärmepumpen und E-Autos. Eine Kostenfalle, die von BILD & Co. absichtlich verursacht wird – damit deren Investoren mehr Geld verdienen

Die pro-europäischen Parteien waren sich ziemlich einig, einen solchen Marktpreis einzuführen. Damit der nicht ins Unermessliche steigt und die Rechtsextremen im EU-Parlament stärkt, sind weitere Maßnahmen erforderlich. Dazu gehört, dass wir uns alle klarmachen, welche Preise auf CO₂-Sünder in Zukunft zukommen – und frühzeitig umsteigen, um Kostenfallen zu vermeiden.

Es hängt nicht von den Grünen allein ab, ob Klimaschutz gemacht wird oder nicht. Die Liberalen und auch die Christkonservativen sind bei Maßnahmen wie dem Emissionshandel, der fossiles Heizen und Fahren in den nächsten Jahren viel teurer machen wird, durchaus dabei und ziehen an einem Strang. Interessanterweise kommuniziert das nur kaum jemand, weder lobend noch kritisierend, wenn auch die FDP mal grüne Klimapolitik macht.

Artikelbild: Kay Nietfeld/dpa

 

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