SPD-Kampagne erfunden: SPD geht juristisch gegen Focus Online vor

Es war wirklich “Wahlkampf aus der untersten Schublade”, wie FOCUS Online schrieb. Doch die SPD war das Opfer, nicht der Täter. FOCUS Online und auch das rechtspopulistische Desinformationsmedium NIUS fuhren eine Schmutz-Kampagne gegen die SPD – indem sie eine SPD-Kampagne erfanden, die es schlicht nicht gab. Die SPD geht jetzt juristisch dagegen vor.

Am Samstag veröffentlichte Focus Online einen Artikel [Archiv], der der SPD eine geplante Schmutz-Kampagne gegen Friedrich Merz unterstellte. Die Geschichte basierte angeblich auf einer einzigen Quelle – einem angeblichen CDU-Insider. Die SPD wurde nicht einmal um eine Stellungnahme gebeten. Für Focus Online offenbar genug, um gleich im vollen Wahlkampf-Modus den Unions-Wahlkämpfern beste Munition zu liefern. Die Empörungswelle rollte in Social Media rasant an.

Weil es ein paar Videos oder Posts wie von Diana zur Löwen (die nicht mal in der SPD ist) von Frauen gibt, in welchen sie Kanzlerkandidat Merz (CDU) aus feministischer Sicht kritisieren, wurde das als vermeintlicher Beleg für eine “Kampagne” gesehen -–und sogar eine “SPD-Kampagne”. Ohne Beweise.

Ben Kutz beim MDR Altpapier formulierte es so:

“Der “Focus” hält es also für eine gute Idee, einen diffamierenden Artikel über die SPD rauszuhauen und diesen offensichtlich auf genau eine “Insider-Quelle” aus dem gegnerischen politischen Lager zu stützen.”

Das unseriöse Krawall-Magazin NIUS veröffentlichte einen ähnlichen Artikel – und schwurbelte sogar gleich eine Verbindung nach Russland, für die sie auch keine Belege hatten. Sie stützte sich auf einen Ex-CSU-Wahlkämpfer, der seine Posts auf Twitter aber zwischenzeitlich auch gelöscht hat. Sie reden sich damit heraus, dass sie ja nur von einer Kampagne von “Anhängern” der SPD sprechen. Aber demnach ist es schon eine “Kampagne” wenn es einfach irgendwo Leute gibt, die online mal Merz kritisieren. Als ob das niemand auch einfach so machen würde. Es ist peinlich, dass NIUS in Unionskreisen überhaupt ernst genommen wird.

Raphael Brinkert, Chef einer Marketingagentur und für den SPD-Wahlkampf 2021 verantwortlich, dementierte die SPD-Kampagne schnell.

“Keiner in der SPD kennt diese Kampagne, schon gar keiner auf Bundesebene. Auch wir als Agentur nicht”, schrieb er auf Twitter.

“Auf die Idee, dass es Frauen eigenständig machen könnten, weil sie vielleicht Sorge vor einem Kanzler Merz und den Konsequenzen bei Abtreibungsrechten und anderen Themen haben, kommt kaum jemand. Auf die Idee, dass es jemand anderes war, kommt kaum jemand. Heute löschen alle ihre gestrigen Tweets, während der Focus den Artikel offline stellt.”

Auch einige der Frauen, die als Teil jener “SPD-Kampagne” herhalten sollen, erklären, dass sie nichts mit Derartigem zu tun haben und nur ihre Meinung sagen, wie Fabian Grischkat auf Instagram zum Beispiel dokumentierte.

Bereits wenige Stunden später wurde der Artikel aber bereits kommentarlos gelöscht. Erst auf Druck der SPD zwei Tage später veröffentlichte das Medium eine Gegendarstellung und räumte ein, dass es “keine strategischen Überlegungen der SPD in der dargestellten Art gegeben” habe. Die Gegendarstellung hatte aber Tage auf sich warten lassen und enthielt zunächst nicht einmal Entschuldigung oder ein Eingeständnis, einen Fehler gemacht zu haben. Die kam dann noch einmal einen Tag später, am Dienstag, nach heftiger Kritik und vermutlich nach Übermedien-Anfrage:

Über 48 Stunden dauerte es, bis es zu einer Richtigstellung durch Focus kam. Der SPD-Generalsekretär Matthias Miersch sagt (im Stern zitiert):

“Dass die Redaktion nur eingelenkt hat, nachdem wir den Medienanwalt Christian Schertz auf Grund des Anfangsverdachts einer Verleumdung eingeschaltet haben, verschweigt Focus Online.”

Im Gegensatz dazu, wie laut die Empörung über die erfundene SPD-Kampagne wurde (und gewesen wäre, wenn sie echt gewesen wäre) – ist die Empörung über die skandalösen Abläufe hier viel zu gering. Focus Online hat immer noch ein wenig journalistischen Ethos und löschte den Artikel ihrer Schmutz-Kampagne und entschuldigte sich wenigstens – auch wenn es drei Tage dauerte.

Fake-NIUS hat aber anscheinend noch geringere Standards und hat seinen Artikel mit einer fiktiven SPD-Kampagne immer noch offen. Die SPD hat inzwischen rechtliche Schritte gegen Focus Online eingeleitet. Parallel dazu bot SPD-Generalsekretär Matthias Miersch ein parteiübergreifendes “Fairness-Abkommen” für den Wahlkampf an.

Es gab keine SPD-Kampagne gegen Friedrich Merz, wie von Focus Online und später auch NIUS behauptet. Während der Focus seine Fehler immerhin spät eingeräumt und den Artikel gelöscht hat, bleibt die Berichterstattung von NIUS bis heute unkorrekt. Wer anderen Falschinformationen vorwirft, sollte selbst Transparenz und journalistische Ethik wahren. Wenn der Wahlkampf so losgeht, bleibt Schlimmeres zu erwarten für die nächsten Wochen.

Der Fall zeigt, dass der kommende Wahlkampf von Desinformationen und Skandalisierungen geprägt sein könnte. Auch wenn SPD-Generalsekretär Miersch ein Fairness-Abkommen vorgeschlagen hat, erinnern Beispiele wie das kürzlich von einem SPD-Abgeordneten geteilte KI-Video gegen Merz daran, dass die Glaubwürdigkeit aller Parteien auf dem Spiel steht. Wahlkämpfer sollten sich auf Fakten beschränken und Kampagnenblätter wie NIUS oder die BILD (oder Focus Online?) meiden, um nicht selbst zum Teil des Problems zu werden. Wer Fakes der “anderen Seite” kritisiert, muss bei den eigenen Standards beginnen. Wir brauchen keinen Wahlkampf, in welchem Fakten absolut keine Rolle mehr spielen. Sonst droht uns auch bald eine Katastrophe wie Trump in den USA, in dem Wähler glauben, was auch immer sie wollen – und so Wahlen entscheiden.

Teile des Artikels wurden mit maschineller Hilfe erstellt. Artikelbild: Screenshot, canva.com.

 

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