Umsetzung der GEAS-Reform: Mehr „sichere” Herkunftsstaaten und Inhaftierung von Kindern

In Deutschland wird die Umsetzung der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) vorbereitet. Im Zuge dessen werden weitreichende Einschränkungen des Asylrechts erwartet.
Mitte Oktober wurde vom Bundesministerium des Innern und Heimat (BMI) ein erster Entwurf veröffentlicht, wie die GEAS-Reform der EU in Deutschland konkret umgesetzt werden könnte. Nach dem Beschluss der Reform im Juni diesen Jahres haben die EU-Mitgliedsstaaten bis zum Sommer 2026 Zeit, ihre nationale Gesetzgebung an die GEAS-Reform anzupassen. Dem Gesetzesentwurf steht eine Abstimmung unter den verschiedenen Ministerien und der Bundesregierung bevor, bis er dann als Regierungsentwurf in den Bundestag und das weitere Gesetzgebungsverfahren eingebracht wird.

Bild: Geflüchtete an der EU-Außengrenze (Ggia, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Die gesamte GEAS-Reform wird von Regierungsstellen gelobt. Als „Zielstaat irregulärer Sekundärmigration“ soll Deutschland von entscheidenden Regelungen profitieren, wenn es um die Bestimmung der Zuständigkeit von EU-Staaten oder schnelle Zurückweisungen an der EU-Außengrenze geht.

Die GEAS-Reform im Überblick

Eine große Neuerung durch die GEAS-Reform sind Schnellverfahren, die an den EU-Außengrenzen durchgeführt werden sollen. Dabei soll besonders bei Geflüchteten aus Ländern mit einer geringen Anerkennungsquote für Asyl in einem Schnellverfahren entschieden werden. Innerhalb von 12 Wochen soll eine Entscheidung über Annahme – oder wahrscheinlicher Ablehnung – des Asylantrags getroffen werden. Während des Verfahrens können die Geflüchteten in Haft genommen werden. Durch das Verfahren werden auch Abschiebungen vereinfacht.

Auch in der Bewertung von „sicheren Drittstaaten werden weitere Regelungen getroffen: So reicht es bereits aus, dass ein Drittstaat versichert, dass ein Teil seines Gebiets für Geflüchtete „sicher“ sei. Mittels Krisenverordnungen können Mitgliedsstaaten zudem die GEAS-Regelungen aushebeln und eigene Gesetz und Verordnungen erlassen.

Die Umsetzung in Deutschland

Im Schatten der Umsetzung der GEAS-Reform werden Verschärfungen des bereits stark beschnittenen Asylrechts erwartet. Dabei nutzt das Innenministerium optionale Regeln, um den Schutz von Geflüchteten weiter zu beschneiden, und geht so bewusst den Weg abseits eines humanen Umgangs mit Schutzsuchenden. Die Organisation PRO ASYL hat den Referentenentwurf bereits untersucht.

So sollen nun weitgehende Beschränkungen der Bewegungsfreiheit von Schutzsuchenden soweit gehen, dass diese in geschlossenen Aufnahmeeinrichtungen untergebracht werden können, die sie nicht mehr verlassen können. Solche geschlossenen Zentren unter Haft- oder haftähnlichen Bedingungen gibt es in Deutschland bisher nicht. Erfahrungen mit ihnen gibt es aber bereits von der griechischen Insel Samos, wo Geflüchtete unter schlechtesten humanitären Bedingungen ausharren mussten.

Auch eine neue Art der Haft, die sogenannte „Asylverfahrenshaft”, soll eingeführt werden. Sie erlaubt, Geflüchtete während der Dauer ihres Asylverfahrens in Haft zu nehmen, falls sie gegen Beschränkungen der Bewegungsfreiheit verstoßen haben, wenn Fluchtgefahr besteht oder einfach zur Klärung ihrer Identität. Unter bestimmten Bedingungen können dabei auch Kinder in Haft genommen werden. Zuvor hatte die deutsche Bundesregierung stets behauptet, sich auf europäischer Ebene gegen die Inhaftierung von Kindern einzusetzen.

Das in Deutschland geltende „Flughafenverfahren“ für Geflüchtete, die per Flugzeug kommen, sieht eine Entscheidung über Asylanträge innerhalb von 19 Tagen vor – unter Abschottung der Geflüchteten. Das Flughafenverfahren wird nun formell durch das EU-Grenzverfahren ersetzt und somit auf 12 Wochen verlängert.

Nach dem Entwurf des Innenministerium sollen außerdem immer mehr „sichere Herkunftsstaaten“ und „Drittstaaten“ benannt werden. Diese sollen durch Verordnungen der Bundesregierung festgelegt werden, wodurch Bundesrat und Bundestag umgangen werden. In der Vergangenheit hatte der Bundesrat beispielsweise die Einstufung von Marokko, Tunesien und Algerien als „sicheres Herkunftsland” verhindert.

Die Tendenz des neuen Entwurfs ist eindeutig: Potenziell schnellere Verfahren bei höheren Ablehnungsquoten. Dabei sollen zukünftig haftähnliche Bedingungen in geschlossenen Zentren herrschen. Auch eine Ausweitung der Drittstaaten-Regelungen steht bevor.

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