Einführung
Am vergangenen Freitag, den 18.10.2024, fand in Neu-Ulm ein Vortrag von Martin Sellner statt. Er selbst inszenierte den Vortrag zu einem Medienspektakel. Der Ablauf der Veranstaltung legte vieles an lokaler rechter Struktur offen und zeigte beispielhaft den mörderischen Wunsch nach Deportation und einem rechten Systemwechsel. Darauf wollen wir in diesem Text eingehen. Dafür ist der Text in mehrere Kapitel aufgeteilt. Es geht um eine ideologische Einordnung, die Organisation & der Veranstaltungsort sowie den anwesenden Personen. Am Ende findet sich noch ein kurzer Exkurs zu Begriffen und Ideologie der sogenannten „Neuen Rechten“, der Identitären Bewegung und Martin Sellners.
Wir gehen darin bewusst auf Sellner und seine extrem rechten Inhalte ein. Dementsprechende Zitate und Themen kommen im Text auf.
Warum war das keine typische extrem rechte Veranstaltung
Dieser Vortrag war kein AfD Stammtisch, keine schlecht besuchte Wahlkampfveranstaltung und kein Neonazi- Aufmarsch gegen einen CSD. Martin Sellner ist spätestens seit den Correctiv Recherchen eine mediale Reizfigur – egal was er macht, es wird zur Schlagzeile. Sellner nutzt diese Rolle, wie er auch am Freitag gezeigt hat, ganz bewusst um möglichst viel mediale Aufmerksamkeit zu bekommen. Der Veranstaltungsort wurde geheim gehalten und Sellner inszenierte sich in einer Art Schnitzeljagd durch Ulm. Dabei ist er sich nicht zu schade schamlos über das was wirklich passiert zu lügen. Er verbreitete eine handvoll verschiedener Versionen davon, was am Abend selber passiert ist. Eine Übersicht zu Fakten und Mythen des Abends findet sich bereits hier auf dem Blog von Klare Kante gegen Rechts Ulm.
Die Organisation des Vortrages oder “Warum hängt da eine AfD- Fahne an der Wand?”
Hinter der Organisation der Veranstaltung steht ein kleiner Personenkreis aus Ulm und Umgebung. Deutlich erkennbar, auch in der rechten Selbstdarstellung offen kommuniziert, als Organisator ist Nicolas Brickenstein, Gemeinderat der AfD Ulm. Martin Sellner bedankte sich bei ihm ausdrücklich und schenkte ihm als Dank ein Greta Thunberg Maske, die er vorher als Teil seiner medialen Inszenierung zum Vortrag nutzte.
Brickenstein stand an der Tür, kontrollierte die eintreffenden Personen und trug dabei ein T-Shirt der Identitären Bewegung Ulm – mit dem Identitären Logo Lambda und dem Ulmer Münster. Das ist ein T-Shirt der Identitären Bewegung Schwaben – Ortsgruppe Ulm. Diese war rund um Ulm mehrere Jahre aktiv. Brickenstein war jahrelang eine der zentralen Personen dieser Gruppe und trat auch als Sprecher auf.
Donau3FM berichtet davon, dass Markus Mössle am Vortreffpunkt Personen zum Vortrag lotste. Markus Mössle ist der ehemalige AfD-Gemeinderat in Ulm. Offiziell darf Mössle wegen seiner Vergangenheit (bewaffnete Überfällle als aktiver Neonazi zur Finanzierung von Neonazi- Strukturen) nicht Mitglied der AfD sein. Faktisch ist er in Ulm seit vielen Jahren aktiv dabei. Mössle bezeichnete sich in den 1980er Jahren mal als erster Ulmer, der sich nach dem Krieg wieder positiv auf den Führer bezieht. Seine Rolle als Vermittler am Vortreffpunkt können wir nicht verifizieren, aber wir können bestätigen dass Mössle am Vortreffpunkt war.
Das lässt für uns folgende Rückschlüsse zu: Nicolas Brickenstein ist nicht, wie mehrfach behauptet ein „ehemaliges“ Mitglied der Identitären Bewegung und jetzt „geläutertes“ AfD- Mitglied.
Brickenstein ist beides: Er ist AfD-Mitglied und sitzt für die AfD im Ulmer Gemeinderat. Zeitgleich ist er der zentrale Organisator einer identitären Veranstaltung mit dem bekanntesten Gesicht der Identitären Bewegung im deutschsprachigen Raum.
Und hat es mit der AfD-Fahne auf sich? Nun ja, die AfD Ulm stellt den Veranstaltungsort für den Vortrag.
Der Veranstaltungsort oder „warum hat der reudige Keller einen Panikraum?“
Polizei und der Livestreamer/ AfDler Sebastian Weber vor dem Underground am 18.10.24
Es ist kein Zufall oder eine Anmietung unter falschen Angaben, dass die Veranstaltung im Underground in der Bahnhofstraße Neu-Ulm stattfand. Der Besitzer weiß ganz genau was da an dem Abend passiert ist. Er war selber dabei und augenscheinlich Teil der Organisation: Dieter „Diddy“ H., bekannt als Tattoo- und Piercingstudio Betreiber in Neu-Ulm, ist eindeutig auf Videos im Kontakt mit der Polizei nach dem Versuch den Vortrag zu stoppen zu sehen. Die Polizei Bayern spricht von ihm als 60- Jähriger Veranstalter im Nachgang.
Das Gebäude wird in der Lokalpresse als früherer Rockertreffpunkt bezeichnet. Dementsprechend ist die Ausrüstung des Ortes: Kameraüberwachung des Außenbereichs, eine mit zusätzlichem Gitter gesicherte Eingangstür, Live- Bildschirm von der Kameraüberwachung am Tresen und einzelne Waffen (ein Schlagstock- ähnlicher Gegenstand wurde beschlagnahmt).
Offensichtlich gibt es auch einen Panikraum, in dem sich Sellner verstecken konnte. Als die Polizei vor die Tür tritt kam es zu folgendem Gespräch im Keller:
Brickenstein tritt auf die Bühne und richtet sich ans Publikum: „Die bereiten sich vor, sie haben Helme aufgesetzt und wollen vielleicht hier rein stürmen, also das ihr Bescheid wisst.“
Sellner: „Kommen sie rein?“
Brickenstein: „weiß ich nicht ist gut gesichert oben, aber nur so zur aktuellen Lage“
Dieter H. Zu Sellner: „willscht du schon mal hinter?“
– Schnitt im Video –
Sellner: „Perfekt dann bitte ich hier den Vincenzo auf die Bühne, Applaus für Vincenzo, Vincenzo ist Chef der Sachsengarde!“
(Sellner geht mit Dieter H. zusammen weg)
Szene aus einem Video von Martin Sellner vom 19.10.24
Danach steht Vincenzo Richter aus Chemnitz auf der Bühne als die Polizei den Raum betritt. Richter wird als Chef der „Sachsengarde“ bezeichnet, das ist eine der vielen Scheingruppen, die alle zur Identitären Bewegung zählen. Genauso wie die „Wackren Schwaben“ oder „Reconquista 21“ sind das Tarnnamen, die zur Verwirrung und mutmaßlichen Abwendung von staatlichen Verboten geschaffen wurden. Sie alle sind Identitäre Bewegung.
Wer ist Dieter H.? Dieter H. ist fester Teil der AfD Ulm und unterstützt diese aktiv in den letzten Jahren.
Dieter H. (rechts) als Aufpasser bei einem AfD Infostand am 11.05.24
Dieter H. spielte im Mai 2024 Security bei AfD Infoständen in der Ulmer Innenstadt
Dieter H. stellt das Underground der AfD Ulm seit Jahren zur Verfügung
Dieter H. nimmt regelmäßig an AfD Treffen teil
Am Tag vor dem Sellner Vortrag stand Daniel Rottmann auf der gleichen Bühne. Der andere Teil des neuen Ulmer Gemeinderats-Duos der AfD hatte dort einen internen, nicht öffentlichen Vortrag durchgeführt. In dem Vortrag sprach Ulrich Singer, AfD Mitglied des bayrischen Landtages, über Russland.
Der Raum wird schon länger im Geheimen von der AfD genutzt. 2023 fand hier ebenfalls eine Veranstaltung statt bei der Bundestagsmitglied und Co-Vorsitzender der AfD Baden-Württembergs Marcus Frohnmaier sprach. Die AfD Ulm trifft sich regelmäßig in diesem Raum, der einer Person gehört, die aktiv bei der AfD Ulm ist und nun Schauplatz des Martin Sellner Vortrags ist.
Anwesende Personen – der AfD Sumpf aus Bayern und Baden-Württemberg
Sellner mit interessiertem Publikum im Underground am 18.10.24
Dieser regional verstreute AfD-Sumpf spiegelt sich auch in den Personen die den Vortrag besucht haben eindeutig wieder. Im Publikum sitzen viele Leute die gar nicht aus Ulm und Umgebung sind. Sie sind zugereist aus Kempten, Heidenheim, Reutlingen und mehr. Unter ihnen sind einige FunktionsträgerInnen der AfD:
Andreas Huber von der AfD Kempten
Christian Thomas von der AfD Westallgäu/Lindau
David Heimerl, AfD Stadtrat in Hof
Sabrina Preuß von der AfD Bad Kissing
Jeanette Binzer von der AfD Bad Kreuznach hat sich für den Vortrag angemeldet. Markus Mössle, der zwar offiziell kein AfD Mitglied sein darf, war am Vortreffpunkt des Vortrages am Maritim (siehe Foto). Weitere Anwesende waren regional verstreut aus dem Umfeld der AfD oder aus dem Querdenken-Spektrum.
Mössle am 18.10.24 vor dem Maritim Hotel, dem Vortreffpunkt des Vortrages
Zwischenfazit
Das war eine Veranstaltung, nach der die AfD Ulm und Identitäre Bewegung Ulm nicht mehr voneinander trennbar sind. Die Veranstaltung war nur möglich durch die Zusammenarbeit und personelle Überschneidung der AfD Ulm und der Identitäre Bewegung (IB).
Ohne Brickensteins IB Aktivismus und Vernetzung oder den Räumen von Personen die Teil der AfD Ulm sind hätte diese Veranstaltung so nicht stattgefunden. Die AfD Ulm und die Identitäre Bewegung nutzen die selben Räume. Die Personenkreise und das Zielpublikum überschneiden sich. Es wird deutlich: die AfD Ulm und Identitäre Bewegung Ulm zu unterscheiden ist nicht mehr möglich.
Beide ermöglichen diesen Abend. Und auf der Bühne, die sie Sellner gemeinsam zur Verfügung stellen wird deutlich welche mörderischen Pläne und faschistische Träume sie alle haben. Diese Bühne wurde Sellner von Nicolas Brickenstein und Dieter H. gegeben.
Ideologie – Sellner, Identitäre Bewegung und der neue Faschismus
Persönlich vernetzt sei er mit den »Swabians«, sagt Ahrens auf Englisch, »das sind meine Freunde«. Er meint offenbar die »Wackren Schwaben« , eine Absplitterung der »Identitären Bewegung«. Als Frost scherzhaft von »einer Art identitären Antifa« spricht, korrigiert Ahrens: »Nicht Antifa, nur Fa«, also Faschisten. Sie hätten mit ihren Aktionen ein Flüchtlingsheim verhindert, erklärt er stolz.
Aus dem Spiegel Artikel “Verdeckte Aufnahmen enthüllen internationales rassistisches Netzwerk” vom 16.10.24 zu u.a. Erik Ahrens
Eine der zentralen Welterklärungen für die extrem Rechte ist der „Große Austausch„. Wohin die von Sellner, Identitären und in Teilen der AfD verbreitete Ideologie des großen Austausches letzten Endes führt steht außer Frage. Es braucht nur wenige Personen, die Worte Taten folgen lassen – Diese sind weltweit bekannt:
NSU 2000-2011 – 11 Tote, Utøya und Oslo 2011 – 77 Tote, Charleston 2015 – 9 Tote Pittsburgh 2017 – 11 Tote, Christchurch 2019 – 51 Tote, El Paso 2019 – 22 Tote, Halle 2019 – 2 Tote, Hanau 2020 – 9 Tote, Buffalo 2022 – 10 Tote
Die Namen der ermordeten Menschen findet ihr als Liste unter diesem Text
Diese unvollständige Liste rechtsterroristischer Anschläge und sicherlich noch viele weitere Gewalttaten haben den Kerngedanken des großen Austausches gemeinsam. Alle Mörder dieser rechtsterorristischen Anschläge beriefen sich darauf bewaffnet gegen den angeblichen Austausch der weißen Rasse kämpfen zu müssen.
Der Mörder von Christchurch nannte sein Manifesto wortwörtlich „The Great Replacement“ und stand mehrfach im persönlichen Austausch mit Martin Sellner. Wenige Tage vor der Tat spendete der Mörder 1.500€ an Sellner.
Sellner, die Identitären und die AfD werden nicht selbst diese mörderischen Taten begehen. Das ist weder ihre Rolle noch ihr primäres Ziel. Ihr Ziel ist politische Macht und ein wie auch immer gearteter Umsturz. Sie nennen es nicht offen Faschismus und es wird sicherlich auch nicht für alle in ihren Reihen das Ziel sein. Viele wollen „nur“ eine autoritärere Scheindemokratie a la Orban. Aber dabei verbreiten sie die im Kern faschistische Ideologie, die darauf abzielt politische Macht zu gewinnen und zeitgleich als geistige Brandstifter zu solchen Taten führt. Sie beeinflussen nachweislich Mörder bei ihren rechtsterroristischen Anschlägen. Und im Windschatten der sogenannten „neuen“ Rechten, wächst eben auch der Teil an Leuten, die bereit sind weiter zu gehen, als nur Vorträge zu halten oder Parteien aufzubauen.
Das alles ist keine an den Haaren herbeigezogene Interpretation. Vieles davon sagt Sellner offen im Keller des Undergrounds.
Träume von millionenfacher Deportation und dem rechten Umsturz in leeren Neu-Ulmer Kellern
Vielsagend und nahezu gespenstisch ist der Teil des Vortrages den Sellner nach der Polizei Razzia später am Abend ohne Publikum hält und nun hochgeladen hat. Vor einem leeren Raum, ohne Publikum hält Sellner den Vortrag zu Ende für das Internet und schneidet darunter den Applaus. Er wird deutlich:
„Wir können stolz sein und euch selber applaudieren, für jeden Einzelnen, der dazu beigetragen hat, dass der Begriff Remigration heute Millionenfach bekannt. Wisst ihr die millionenfache Bekanntheit des Begriffs ist der erste Schritt zu einer tatsächlichen millionenfachen Rückführung der Illegalen. Aber auch eine Aufbauhilfe vor Ort, auch das bedeutet nämlich Remigration.“
Martin Sellner am 18.10.24
Hier zeigt sich: Die Diskursverschiebung von Sellner & Co nach Rechts war aus ihrer Perspektive erfolgreich. Der Begriff „Remigration“ ist platziert. Die Strategie der Metapolitik ist gelungen. Sellner geht nun weiter und platziert eine Forderung, die glasklar ist: Millionenfache Deportation.
Sellner wahnt sich in einem totalitären System und bezieht sich auf den Mauerfall 1989 und das Ende der DDR. Er sieht einen Umbruch des politischen Systems kommen:
„Je mehr Sie uns jetzt unterdrücken, desto gründlicher, rascher und intensiver wird die politische Wende sein.“
Martin Sellner am 18.10.24
Die offenen Formulierungen sind hier geschickt gewählt. Sellner sagt nicht wortwörtlich, dass sie die parlamentarische Demokratie stürzen wollen und danach mit ihren politischen Feinden abrechnen werden. Wir bezweifeln aber, dass Sellner hier einen Wechsel durch eine politische Wahl beschreibt – Sellner will einen Systemumsturz nach Rechts.
Wenn es zu so einem Umbruch kommt und die extrem Rechte die Macht ergreift, dann hat sie bereits Listen in ihren Köpfen wer dran ist. Von Antifaschist*innn über Politiker*innen, Journalist*innen und allen, die einfach zu laut gegen sie oder das Volk waren.
Sellner beendet seinen Vortrag mit folgenden Worten:
„Am Ende wird die Warhheit siegen. Am Ende wird die Freiheit siegen. Und Am Ende wird die Remigration siegen.“
Martin Sellner am 18.10.24
Hier wird die scheinbare Widersprüchlichkeit des Freiheitsbegriffs in der extremen Rechten sichtbar. Vor wenigen Sätzen noch von millionenfacher Deportation träumen und nun ernsthaft von Freiheit schwadronnieren. Das ist aber gar kein Widerspruch, denn die Freiheit, von der Sellner hier spricht, die ist exklusiv. Exklusiv für Deutsche und zwar nur richtige Deutsche, exklusiv für das Volk. Wie genau das definiert wird, das trauen sie sich noch nicht offen zu sagen. Anhand ihres offenen völkischen Verständnisses und Ihren schlecht als „Kulturelle Unterschiede“ getarnten Rassismus, sollte uns aber allen klar sein, wo das hingeht.
Das alles zeigt beispielhaft was die faschistische Gefahr der nächsten Jahrzehnte ist. Es wird nicht von heute auf morgen eine faschistische Diktatur ausbrechen. Auch nicht, wenn zum Beispiel Björn Höcke in Thüringen regiert. Aber jeder kleine Erfolg in Wahlen, Diskursverschiebung oder medienwirksamen Vorträgen verbreitet weiter dieses menschenfeindliche und, konsequent zu Ende gedacht, mörderische Gedankengut. Und sollten die neoliberalen paralmentarischen Demokratien im Kapitalismus keine Antwort auf die Krisen unserer Zeit finden, wird die extrem Rechte jede Gelegenheit für einen Aufstand nutzen – das ist keine Interpretation, sondern es wird offen ausgeprochen.
Je größer die „neue“ Rechte wird, desto mehr Leute sind in ihren Reihen, die bereit sind mehr zu tun. Und desto größer wird der Pool an Menschen, denen es nicht reicht in einer parlamentarischen Demokratie nur zu regieren. Im Windschatten der „neuen“ Rechten wächst bereits jetzt die Bereitschaft zur Gewalt, die Bildung von neonazistischen Jugendgruppen und das faschistische Gewaltpotential. Sellner und Konsorten wissen das, machen sich aber selbst die Hände nicht (mehr) unnötig schmutzig. Sie sind das Paradebeispiel für geistige Brandstifter.
Das Weltbild was Martin Sellner vertritt, führt nach Utøya, Christchurch und Halle. Es ist mörderisch und unterscheidet nicht zwischen sozialistischen Jugendcamp, Moscheen oder Synagogen.
„Diese Menschen sind gefährlich, denn sie wissen was Sie tun.“
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Ausblick
Gegen diese Forderungen der millionenfachen Deportation, die Sellner nun ganz offen benennt, sind im Februar nach den Correctiv Recherchen Millionen Menschen auf die Straße gegangen. Ob das irgendwas erreicht hat oder nicht wird debattiert. Klar ist: Wir sind hier gerade an einem gesellschaftlichen Wendepunkt – die millionenfachen Deportation wird nun offen gefordet. Machen wir uns nichts vor, für viele Menschen wäre so eine Deportation ein Todesurteil. Egal was die Rechten lügen, das ist die Realität für Gegner*innen und Leidtragende zum Beispiel der Taliban, der Assad Diktatur oder des Mullah Regimes im Iran.
Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, dann weiß dass jede*r von uns – unabhängig von politischen Positionen. Dazu darf es keine Positionen geben, nur die Ablehnung davon.
In Ulm und Umgebung bieten Nicolas Brickenstein und Dieter H. dieser Forderung nach millionenfacher Deportation und damit einhergehenden Todesurteilen eine Bühne. Sie sind nicht allein. Die gesamte AfD Neu-Ulm steht mit Franz Schmid stramm auf der Höcke und „Remigration“ Seite. Kurz nach der Veranstaltung veröffentlicht Franz Schmid ein Pressestatement in dem er sich mit Sellner gegen die angebliche Polizeiwillkür solidarisiert. Die AfD Ulm stellt sich unter Rottman als harmloser und weidelnah dar. Rottmann stand aber keine 24 Stunden vorher auf der gleichen Bühne im gleichen Raum. Das sind unsere lokalen Akteure. Sie alle tragen zu der Forderung der millionenfachen Abschiebung bei.
Doch die staatliche sogenannte „wehrhafte Demokratie“ ist ziemlich unbeholfen und unwirksam. Die Debatte über ein AfD Verbot kommt nicht voran und selbst wenn dauert sie Jahre. Schnelle Verbote wie bei Compact enden juristisch im Debakel. Sellner werden Einreiseverbote und Auftrittsverbote erteilt, er umgeht sie und er spielt damit sein mediales Skandalisierungsspiel. Er hat recht, mit solchen Mitteln lässt sich seine Ideologie nicht stoppen. Sie werden sie nur zu einer weiteren Skandalisierung nutzen. Das war das Hauptziel des Vortrages.
Was wir machen müssen ist um die Köpfe, die noch erreichbar sind, zu streiten und zu zeigen, dass viele Menschen gegen diese mörderische Forderung einstehen und kämpfen. Wir können uns dabei nicht darauf verlassen, dass das irgendwer anderes für uns machen wird. In Ulm und Neu-Ulm hat ein Großteil der gesamten Stadtgesellschaft den Vortrag von Sellner nicht mitbekommen oder ignoriert. Dennoch waren ein Vielfaches mehr an Leuten auf der Straße gegen, als drinnen im Vortrag. Im Keller war ein Sammelsurium an wenigen Leuten, die z.T. hunderte Kilometer gefahren sind. Viele davon Funktionäre der AfD. Es waren außer den Organisatoren kaum Leute aus Ulm und Umgebung da.
Auf unserem Blog findet sich noch ein Exkurs zum idelogischen Hintergrund der IB und Sellner sowie eine Liste der Ermordeten der genannten rechtsterroristischen Anschläge.
Wir müssen als Antifaschist*innen dieser rechten Agitation entgegenwirken. Aufzeigen, wofür sie inhaltlich stehen, ihre Propaganda und Lügen enttarnen. Wir können Sellners Selbstinszenierung im Netz kaum stoppen, wir konnten seinen Vortrag nicht aufhalten. Aber wir können zeigen, dass mehr Menschen gegen diese mörderischen Fantasien sind als dafür.
Dafür lohnt es sich zu kämpfen, denn es geht um uns alle und ums Ganze. Organisiert euch.