Revolutionsplanungen von Rechts

Strategietagung mit AfD, „Neuer Rechter“ und Neonazis“

Am Samstag, den 14. September 2024, lud die neonazistische „Denkfabrik“ MetaPol zu einer konspirativen Strategietagung in Thüringen ein. Neben Neonazis der Jugendorganisation „Jungen Nationalisten“ nahmen Mitglieder der AfD teil und standen auch als Referent:innen auf der Tagesordnung. Das war nicht das erste Zusammenkommen dieser Art: MetaPol ist eine seit mindestens 2019 agierende Organisation der klassisch-völkischen Rechten, die ihre Vernetzung im Geheimen betreibt und dabei nicht weniger als eine Revolution von rechts plant. In den letzten zwei Jahren haben wir uns intensiv mit der bisher weitestgehend noch unbekannten neonazistischen Organisation und ihren Verbindungen zur AfD beschäftigt. Dabei haben wir verschiedene klandestin organisierte Zusammenkünfte dokumentieren können. Wir veröffentlichen hier einen Artikel, der auf Recherchen in Kooperation mit der taz (https://taz.de/!6034283/) basiert.

Die Grenzen zwischen vermeintlich gemäßigter parlamentarischer Rechter in Form der AfD und klassischen, offen völkisch-rassistischen Neonazis waren schon immer brüchig und befinden sich längst in Auflösung. Dies kommt an verschiedensten Stellen zum Ausdruck – wie nun Mitte September bei einer konspirativ organisierten Strategietagung. Hier ging es um die Vorbereitung und Umsetzung einer Revolution von Rechts, „einer Umwälzung, einer Umkehr der bestehenden Wertesysteme“, kurzum „den Weg zur Macht“, wie es in der Ankündigung stand.1

Ein Blick auf die angekündigten Wortbeiträge macht deutlich, dass es sich dabei um kein gewöhnliches Hinterzimmertreffen von Neonazis handelte. Auf der Liste der Referierenden fanden sich auch AfD-Politiker:innen und ein Social-Media-Stratege der Partei. Gemeinsam mit Neonazis aus den Strukturen der Jugendorganisation „Junge Nationalisten“ (JN) und anderen Neonazistrukturen wollten diese hier die Möglichkeiten der „kommenden Revolution“ ausloten und debattieren.

Eingeladen hatte „MetaPol“ – eine selbsternannte „Denkfabrik“ von Neonazis, welche versucht, rechte Strategiepolitik und -beratung zu betreiben. Die Veranstaltung unter dem Titel „Was tun? Brennende Fragen der deutschen Rechten – Strategie & Taktik der echten Rechten zwischen Massenpartei & Avantgarde von der Theorie zur Praxis“ wurde klandenstin organisiert: den Ort in Thüringen erfuhren nur jene nach Anmeldung, die andere, etablierte Teilnehmende als Bürgen vorweisen konnten. Man warb mit der ehemaligen Landesvorsitzenden der AfD Schleswig-Holstein Doris von Sayn-Wittgenstein und Tim Krause vom Landesvorstand der AfD Brandenburg, der die Veranstaltung moderieren sollte. Ebenfalls angekündigt wurde der sogar in der extremen Rechten umstrittene Social-Media-Stratege der AfD, Erik Ahrens, der erläutern sollte, wie „rechte Weltanschauung in alle Lebensbereiche der Jugend“ getragen werden kann.

Tim Krause, Beisitzer im Landesvorstand der AfD Brandenburg, moderierte die Veranstaltung.

MetaPol – im geistigen Schützengraben

Was unter dem Namen MetaPol höchst intellektuell anmuten möchte, ist vor allem ein Netzwerk für völkisch-neonazistische Bildungsarbeit – mit dem Anspruch, die Machtverhältnisse nachhaltig zu verändern und einen weltanschaulichen Umsturz zu befördern.

Ihren Ansatz formulieren sie radikaler als andere Akteure der „Neuen Rechten“, man kann sie etwa mit dem mittlerweile offiziell aufgelösten, aber weiter existenten „Institut für Staatspolitik“ (IfS) um den Verleger Götz Kubitschek vergleichen, das eher an einer kommunikativen Modernisierung der extremen Rechten interessiert ist. MetaPol wähnt sich dagegen eher praktisch in einem Eroberungskrieg gegen die bestehenden Verhältnisse – und daraus machen sie auch kein Geheimnis. Die Bundesrepublik Deutschland ist das Schlachtfeld, demokratische Strukturen der Gegner, den es erbarmungslos zu bekämpfen gilt. In einer Stellungnahme beschreiben sie ihr Wirken in entsprechend martialischen Worten: MetaPol sei ihrer Lesart nach, ein „Geschoss, das erbarmungslos voranpeitscht“, „vorwärts, bis die nächste Stellung genommen ist“. „Es ist keine Flucht, es ist eine Vorbereitung auf den Sturm“.

Bereits der Name der Organisation MetaPol ist unter diesem Gesichtspunkt zu begreifen. Dieser bezieht sich auf den Begriff der Metapolitik, einen Begriff aus der politischen Theorie, der sich auf Aktivitäten im sogenannten „vorpolitischen Raum“ bezieht. Dies folgt der Annahme, dass jenseits der „realen Politik“, die durch Parteien und Parlamentarier:innen täglich gestaltet wird, ein „vorpolitischer Raum“ existiere. In diesem werden gesellschaftliche Debatten und Diskurse – das Denken einer Gesellschaft – informell vorgeprägt. Parteien greifen dies dann auf und verändern die Gesellschaft daraufhin formell durch Gesetze und Regelungen. Metapolitik von Rechts ist also eine Strategie des „Kulturkampfes von rechts“, um die Gesellschaft vorzuformen und die angestrebte völkische Revolution vorzubereiten. Es geht darum, weltanschauliche Positionen in der Mehrheitsgesellschaft zu verankern. Die realpolitische Umsetzung ist dann nur der nächste Schritt.

Metapol bei einer Strategietagung der AfD-Jugendorganisation im Februar 2023.

Da diese Umgestaltung einer Gesellschaft nicht im Hinterzimmer funktioniert, ist MetaPol, ähnlich wie die IfS-Strukturen, am Aufbau eines sogenannten Vorfelds interessiert – also Netzwerke, Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen außerhalb von Parteiarbeit. Seminare und Strategietagungen sind der Rahmen, in welchem dieses Vorfeld zusammenkommt, weitere Schritte plant und Umsetzungen debattiert. Während das angesprochene Klientel beim IfS bis in das rechts-konservative Spektrum hineinreicht, bedient MetaPol dabei insbesondere das klassisch-neonazistische Klientel – und seit geraumer Zeit auch die AfD und deren Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA).

MetaPol legt im Bezug auf die eigene Weltsicht nur wenig Zurückhaltung an den Tag. Hier wird offen eine völkisch-rassistische Weltsicht propagiert. Eine Verschleierung ihrer Zielsetzung durch Verwendung augenscheinlich harmloser Begriffswahl findet gar nicht erst statt. Während die selbsternannte „Neue Rechte“ ihren Rassismus beispielsweise oft durch den Begriff des „Ethnopluralismus“ zu tarnen versucht, bekennt man sich in den Reihen von MetaPol radikal und offen zu einem biologistischen Rassimus – nicht verwunderlich bei den tief in der neonazistischen Welt verankerten Köpfen der Organisation.

Eine Verschleierung lässt sich an anderen Stellen jedoch sehr wohl beobachten: Der klandestine Charakter der MetaPol-Veranstaltungen zeigt sich durch die stetigen Bemühungen der Anreisenden, ihre Identität durch Vermummung oder auch das Verstecken ihrer KfZ-Kennzeichen zu verbergen. Viele derjenigen, die bei MetaPol zusammenkommen, versuchen ihre politische Gesinnung und ihr Wirken bewusst abseits der öffentlichen Wahrnehmung zu entfalten. Etliche Autor:innen bei MetaPol publizieren unter der Verwendung von Pseudonymen, um ihre Identität nicht preiszugeben.

MetaPol verbreitet die eigene menschenverachtende Ideologie nicht nur auf Strategie- und Schulungsveranstaltungen, sondern besitzt als Verlag auch ein breites Print- und Online-Angebot. In der Zeitschrift Agora Europa und der Verlagsreihe Aeropag finden sich Beiträge führender Neonfaschisten wie des Russen Alexander Dugin sowie Alain de Benoist, dem Mitbegründer der französischen „Nouvelle Droite“. Teil des literarischen Angebots ist auch das rassistische Manifest „Der weiße Ethnostaat“ des langjährigen Neonazis Jonathan Stumpf, der bei MetaPol unter dem Pseudonym Johannes Scharf veröffentlicht.

Aus der JN zu MetaPol

Pierre Dornbrach am 18. November 2023 bei einem klandestinen Regionalseminar von MetaPol in Niedersachsen.

Die Schulungsarbeit von MetaPol hat auch personell ihren Ursprung in der internen Bildungsarbeit der Jungen Nationalisten (JN). Der Großteil der Köpfe von MetaPol war in der Vergangenheit auch in der JN aktiv, unter anderem in der Bundes- und Landesschulungsarbeit. Dazu gehört etwa Pierre Dornbrach, der bei MetaPol ausschließlich unter dem Pseudonym Peter Steinborn auftritt. Dornbrach war lange Zeit aktiv in der JN und übernahm im Bundesvorstand das Amt des Bundesschulungsleiters. Außerdem war er mitverantwortlich für die „Interessensgemeinschaft Fahrt und Lager“, die als Auffangbecken für Mitglieder der 2009 verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) gilt. Heute präsentiert sich Dornbrach als geopolitischer Stratege und Wirtschaftsexperte. Über seine Firma „ProID“ bietet er Leistungen im Bereich Datenschutz und Arbeitssicherheit an.

Ihm zur Seite stehen unter anderem Steffen Nickel und Roy Graßmann. Das ehemalige JN-Mitglied Nickel ist Neonazi-Aktivist aus Berlin und betrieb einen antiquarischen Handel mit Büchern aus der NS-Zeit, darunter auch „Mein Kampf“. Als Verantwortlicher für die Website des Verlags trat in der Vergangenheit der Neonazi Roy Graßmann in Erscheinung, der auch für das Compact-Magazin tätig war und augenscheinlich freundschaftliche Verbindungen zum AfD-Bundestagsmitarbeiter und Aktivisten der Identitären Bewegung Mario Müller unterhält. Im Internet präsentiert sich Graßmann mit einem Kolovrat auf der Brust, einer russischen Variante eines Hakenkreuzes.

Ein Mitglied der „Jungen Nationalisten“ (JN) beim JN-Europakongress im Mai 2024 in Eschede.

Angesichts dieser politischen Hintergründe ist es nicht verwunderlich, dass sich ein relevanter Teil der Teilnehmenden der MetaPol-Seminare aus aktiven Mitgliedern der JN zusammensetzt. So nahm an einem Regionalseminar im November 2023 im niedersächsischen Brettorf neben einfachen Mitgliedern nahezu der gesamte Bundesvorstand der Jungen Nationalisten teil.2 Das Näheverhältnis zeigt sich auch auf Seiten der JN: Die Jugendorganisation bewirbt ihrerseits aktiv die Seminare von MetaPol, zuletzt für den 15. Juni 2024 im Raum Dresden, und stellen bei Veranstaltungen immer auch einen erheblichen Anteil der Teilnehmenden.

Bereits bei dem Regionalseminar in Brettorf zeigte sich auch die Nähe zur AfD. Dort nahm neben JN- und IB-Aktivist:innen auch der AfD-Politiker Heinrich Löhmann teil. Das ehemalige Mitglied der Bremischen Bürgerschaft rief im November 2022 nach internen Streitigkeiten im Landesverband einen Notvorstand aus, an dessen Spitze er sich selbst setzte.

Die Verbindungen zur AfD: Offene Geheimnisse und konspirative Allianzen

Die Verbindungen zwischen MetaPol und der Alternative für Deutschland (AfD), insbesondere zur Jungen Alternative (JA), sind im Grunde nichts Neues – nur spielen sie sich zumeist abseits der öffentlichen Wahrnehmung ab. Ähnlich verhält es sich mit Burschenschaftlern und dem Führungsstab des geschichtsrevisionistischen „Zuerst!“-Magazins, die in der Vergangenheit ebenfalls bei MetaPol zugegen waren.3 Trotz der Bemühungen der AfD, sich nach außen hin von neonazistischen Strukturen abzugrenzen, sieht die Realität wieder einmal anders aus.

So war MetaPol im Februar 2023 ein wesentlicher Bestandteil einer Strategiekonferenz der Jungen Alternative im niedersächsischen Höfen. Diese Veranstaltung unter dem Motto „Die wilden 20er“ verdeutlichte, wie eng die Verbindungen zwischen MetaPol und der AfD-Jugendorganisation tatsächlich sind. Metapol nutzte diese Plattform nicht nur, um auf die strategische Ausrichtung der JA Einfluss zu nehmen, sondern auch, um offen rassistische und revisionistische Literatur wie das Buch „Der weiße Ethnostaat“ zu präsentieren und zu verbreiten. Im Nachgang der Strategietagung weigerte sich der niedersächsische Verfassungsschutz gegenüber einer Lokalzeitung, den Namen des neonazistischen Verlages zu nennen. Warum hierüber keine Aussagen getroffen wurden, obwohl in den sozialen Medien Bilder diese Verbindung belegten, bleibt offen. Die Einbindung von MetaPol in die „JA-Strategiekonferenz 2023“ ist dabei nicht wirklich überraschend. Die JA selbst hat sich inzwischen zu einem Sammelbecken für junge, radikale Kräfte entwickelt. Ein Beispiel dafür ist die enge Verzahnung zwischen JA und Identitärer Bewegung. So sind Führungspersonen der JA Brandenburg Teilnehmende interner Veranstaltungen der IB und umgekehrt.

Diese Verbindungen von AfD und klassischen Neonazis zeigten sich nun beim diesjährigen „Spätsommerseminar“ von MetaPol im September 2024 offener denn je. Die besondere Brisanz dabei: dort wurden Strategien und Taktiken für eine völkische Revolution, einen „Regime-Change“ von rechts debattiert und geplant. Dass sich hier aktiv die AfD Brandenburg beteiligt, wirft angesichts der anstehenden Landtagswahlen ein klares Licht auf die Zukunftspläne der Partei und mit wem diese gedenkt, eben jene Revolutions-Agenda umzusetzen.

Bilderstrecke zu Aktivitäten von MetaPol



























Bei MetaPol handelt es sich um einen Zusammenschluss organisierter Neonazis, die sich nach außen als rechte „Denkfabrik“ präsentieren. Bei ihren klandestin durchgeführten Schulungsveranstaltungen und Seminaren, werden Strategien und Taktiken für den von Ihnen ersehnten Regime-Change propagiert, debattiert und weiterentwickelt. Dabei versucht Metapol, verschiedene extrem rechte Strömungen – von der AfD über die Identitären Bewegung bis hin zu offen nationalsozialistischen Gruppen – an einen Tisch zu bringen und auf das gemeinsame Ziel einzuschwören. Sie sehen sich dabei als selbsternannte radikale Elite, als „echte Rechte“, die über intellektuelle Beeinflussung langfristig kulturelle und politische Veränderungen herbeiführen will – sprich die völkische Revolution.

Dieser Beitrag erschien am 17. September 2024 bei recherche-nord. Die Gruppe dokumentiert seit 2008 Rechte und ihre Zusammenkünfte. Die Seite ist auf jeden Fall einen Besuch Wert; Events im ganzen Bundesgebiet und darüber hinaus sind dort festgehalten und veröffentlicht – zum Beispiel auch der Wahlkampfabschluss der AfD am 31. September 2024 in Erfurt.

recherche-nord schreiben über sich selbst:

Die recherche-nord ist ein unabhängiges Recherche- und Medienprojekt zum Themenfeld des militanten und organisierten Neonazismus. Wir setzen uns aus freien Autor_innen, Fotograph_innen, Journalist_innen sowie Einzelpersonen zusammen, die sich auf die investigative Recherche, innerhalb wie außerhalb neonazistischer Netzwerke spezialisiert haben. Wir sind dabei in unserem Schaffen keine Zweigstelle von Medienkonzernen oder Sprachrohr von Parteien oder Organisationen. Vielmehr agieren und handeln wir unabhängig und selbstbestimmt, richten unserere Recherchearbeit nach eigenen Kriterien aus. Seit unserer Gründung im Jahr 2004 arbeiten wir gemeinsam, mitunter auch einsam, als Ergänzung zu bereits bestehenden Projekten, welche sich ebenfalls diesem Themekomplex widmen.

Wir wollen so unseren Beitrag für eine fortschreitende Vernetzung von Recherchetätigkeiten und dem Austausch von Hintergrundinformationen über organisierte Neonazis leisten. Im Frühjahr 2008 starteten wir mit einer eigenen Internetplattform, nicht zuletzt um Rechercheergebnisse transparenter und unabhängig nach außen transportieren zu können. Den Schwerpunkt unserer Recherchen bilden die Strukturen der militanten Neonaziszene, deren Vernetzung, deren Untergrundtätigkeit. […]

2    siehe Instagram-Beitrag @recherchenorth

 

Nach oben scrollen