Faktencheck: Migration entlastet die Krankenkassen

Migration entlastet unsere Krankenkassen. Die Krankenkassen zahlen gar nicht für Asylsuchende und sobald sie dürfen, arbeiten sie und zahlen sie anteilsmäßig mehr in die Sozialkassen ein als die Bevölkerung in Deutschland. Junge, arbeitende Migranten zahlen die Krankenkassen-Beiträge der vielen deutschen Rentner sozusagen. Das hätte auch der umstrittene WELT-Autor Don Alphonso recherchieren können. Stattdessen kamen ihm beim Fallobst sammeln „Ein paar einfache, aber verbotene Fragen“ – so der Name des Artikels, den er bei WELT veröffentlichte – in den Kopf. Da es ja bekanntlich keine dummen Fragen gibt, darf der Leser zumindest erwarten, dass die Antwort richtig ist, oder?

„Wo wären die Krankenkassenbeiträge ohne irreguläre Migration seit 2015?“, lautet die erste „verbotene“ Frage, die er, so ähnlich, nur ohne das Wort „irregulär“, auch auf Twitter stellte. Sie wären noch höher, ist die richtige Antwort – aber das wird man als WELT-Leser nicht erfahren, denn der Sinn des Textes ist nicht Information, sondern rechtspopulistische dog whistles.

Schutzsuchende, die in Deutschland Asyl beantragt haben, fallen unter das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylblG). Sie sind somit grundsätzlich nicht krankenversichert, kosten den Krankenkassen somit kein Geld und sind nicht Teil des Beitragssystems der Kassen. 

Sollten Schutzsuchende bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen medizinische Versorgung benötigen, dann übernimmt die Kosten die für das AsylblG zuständige Behörde. Auch Versorgung bei einer Schwangerschaft, Schutzimpfungen oder Vorsorgeuntersuchungen fallen unter die Leistungen des AsylblG.

Innerhalb einer Wartezeit von 36 Monaten haben Schutzsuchende im Asylbewerberleistungsverfahren Anspruch auf die oben genannten Leistungen. Danach erhalten sie nahezu dieselben Leistungen wie gesetzlich Versicherte. Sowohl während der Wartezeit, als auch danach trägt die Kosten für die medizinische Versorgung der Schutzsuchenden während des gesamten Asylverfahrens der zuständige Leistungsträger, also eine staatliche Behörde.

Nach den 36 Monaten Wartezeit übernimmt die gesetzliche Krankenkasse die Verwaltung der Leistungen. Um die Behörden zu entlasten, gibt es im fünften Sozialgesetzbuch im Paragraf 264 die Möglichkeit, dass der AsylblG Träger auch innerhalb der Wartezeit die Krankenkassen mit der Verwaltung und Betreuung der Schutzsuchenden beauftragen kann. An den Leistungen und der Kostenübernahme ändert sich nichts. 

Schutzsuchende während des Asylverfahrens sind also nicht Teil des Beitragssystems. Die Krankenkasse muss nicht für die Leistungen aufkommen und die durch die Verwaltung entstandenen Kosten werden ebenfalls an die zuständige Behörde weitergereicht.

Schutzsuchende im Asylverfahren haben somit, anders als von Don Alphonso behauptet, keinen Einfluss auf die Beiträge der gesetzlichen Krankenkassen.

Er schreibt in seinem Artikel, dass die Bundesländer eine Pauschale für die Behandlung von Asylbewerbern und Anerkannten zahlen würden und alles, was darüber liegt, würde von den Krankenkassen übernommen werden. Das ist schlicht falsch. 

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) schreibt auf seiner Webseite, dass eine finanzielle Belastung der GKV, infolge der gesetzlichen Regelungen über die Kostenerstattung durch die Träger des AsylblG, nicht bestehe.

Anerkannte Flüchtlinge oder Schutzberechtigte, die unter die Regelungen des subsidiären Schutzes fallen, haben einen Anspruch auf die gesetzliche Krankenversicherung. Sofern sie ihren Lebensunterhalt noch nicht selbst bestreiten, werden die Beiträge auch in dem Fall von den zuständigen Behörden getragen. 

Während des Asylverfahrens haben Schutzsuchende also keine Auswirkung auf die Beiträge und danach zahlen sie entweder selbst ein oder die Beiträge übernimmt die Behörde, wie bei anderen Bürgergeldempfängern auch. Schutzberechtigte Männer, die bereits 8 Jahre in Deutschland leben, arbeiten übrigens zu 86 %. 90 % der 2022 in Deutschland lebenden Flüchtlinge, die arbeiten, arbeitet in sozialversicherungspflichtigen Jobs und zahlen somit sogar in die Sozialkassen ein. 

Die Techniker Krankenkasse (TK) ermittelte 2020 im Auftrag des Tagesspiegel Background die Auswirkungen von Zuwanderung allgemein auf die Krankenkassen und deren Beiträge. Im Zeitraum von 2013 bis 2019 zeigten die Zahlen deutlich, dass Zuwanderer doppelt soviel einzahlten, als sie dem GKV System durch Inanspruchnahme von Leistungen entnahmen. Dabei betrug ihr Anteil an allen Versicherten 6,4 %. Gleichzeitig zahlten sie 7,9 % der Beiträge und nahmen nur 3,5 % der Ausgaben in Anspruch. 

Zudem betrug das Durchschnittsalter der Zuwanderer im GKV System 30 Jahre, womit sie im Schnitt 14 Jahre jünger sind als der durchschnittliche deutsche Beitragszahler und somit generell weniger häufig Leistungen in Anspruch nehmen.

Schutzberechtigte und andere Migranten sind also im Schnitt jünger, zahlen mehr ein und nehmen weniger Leistungen in Anspruch. Damit sind sie eine wichtige Stütze der gesetzlichen Krankenkasse.

Menschen mit Migrationsgeschichte nutzen weniger häufig das Gesundheitssystem, das zeigt das Jahresgutachten vom Sachverständigenrat für Integration und Migration aus 2022. Die Gründe sind beispielsweise mögliche Sprachbarrieren, unterschiedliches Verständnis von Gesundheit, Krankheit und Heilung, eingeschränkte Kenntnis der Angebote des deutschen Gesundheitssystems und Diskriminierung. Auch Armut ist ein Faktor, der mit einer geringeren Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen in Verbindung gebracht wird.

Was oberflächlich betrachtet in Bezug auf die Beträge so klingt, als könnte es sich beitragsmindernd auswirken, geht dann doch schnell nach hinten los.

Ein Bericht der WHO über die Gesundheit vertriebener Personen in der europäischen Region zeigt, dass Schutzsuchende ein höheres Krankheitsrisiko tragen, als die Bevölkerung der Aufnahmeländer. Sie sind bei ihrer Ankunft in Europa gesünder als die europäische Bevölkerung, werden dann aber durch die Bedingungen in den Asylsystemen krank. 

So zeigte der Bericht, dass sich im Laufe ihres Aufenthalts die Anfälligkeit für Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle und Krebserkrankungen erhöht. Durch fehlende Bewegung und ungesundes Essen werden chronische Krankheiten häufiger und die Bedingungen in den Ankunftszentren in Zusammenhang mit dem eingeschränkten Zugang zum Gesundheitssystem begünstigen Infektionskrankheiten.  

Die WHO-Regionaldirektorin für Europa spricht sich dafür aus, den Zugang zum Gesundheitssystem für Schutzsuchende zu verbessern, um Menschenleben zu retten und auch Behandlungskosten zu senken. 

In einem Interview von EURACTIV mit dem Direktor des WHO-Programms für Gesundheit und Migration behauptet dieser, dass die Fokussierung der EU auf Grenzen und Abschiebehaft „oft ein Auslöser für Probleme“ darstelle, die „Bedingungen schaffen, die Gesundheitsprobleme hervorrufen könnten.“

Eine Verbesserung der Bedingungen in den Aufnahmezentren könnte zu einem Erhalt der Gesundheit der Schutzsuchenden und somit zu geringeren Kosten beitragen.

Das Problem der hohen Krankenkassenbeiträge ist nicht neu. Die Ampel-Regierung hatte im Koalitionsvertrag vereinbart, die Kassen mit mehr Steuermitteln zu unterstützen. Passiert ist das bisher nicht. 

Stattdessen könnte die Krankenhausreform für weitere Kosten sorgen, die zu Teilen mit Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung gedeckt werden sollen und somit die Beitragszahler noch mehr belasten. Und obwohl sich die GKV versucht, dagegen zu wehren und das mit einer Zweckentfremdung der Beiträge begründet, hält Gesundheitsminister Lauterbach aktuell daran fest. Es gäbe also Stellschrauben, mit denen die Beiträge sinken könnten.

Die private Krankenversicherung, also die der Unternehmer und Selbstständigen, ist an der Kostenübernahme der Reform nicht beteiligt. Es gäbe also Stellschrauben, mit denen die Beiträge sinken könnten.

Ohne Zuwanderung verschiedenster Art – auch durch Schutzsuchende, wären diese auf jeden Fall noch höher. Asylbewerber kriegen kein Geld aus der Krankenkasse, aber wenn sie dann arbeiten, zahlen sie in die Kassen proportional mehr ein als der Rest. Wer Fragen stellt, ohne die korrekte Antwort zu geben, will nur die rassistische Stimmung weiter anheizen und Desinformation verbreiten.

Artikelbild: canva.com/Screenshot twitter.com

 

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