Die Bilder von Störaktionen und Gegendemonstrationen von Faschisten anlässlich der CSD’s u.a. in Bautzen, Leipzig oder Magdeburg gingen durch die Medien und zeigen, dass dieses Thema zunehmend von Faschisten aufgegriffen wird.
Auch im Südwesten gab es den Sommer über am Rand von mehreren CSDs immer wieder Anfeindungen, Pöbeleien und das Interesse von Faschos. So war rund um den CSD in Mannheim eine Gruppe Leute, die am Rande pöbelten und koordiniert unterwegs waren (https://justpaste.it/4dn2t). Auch beim Stuttgarter CSD gab es einen ähnlichen Vorfall.
Schließlich fand Anfang September der CSD in Albstadt statt, zu dem verschiedene Organisationen wie die Jungen Nationalisten, Dritter Weg, Pforzheim Revolte, Zollernalb-Aktiv zu Gegenaktionen aufriefen. (https://antifa-info.net/2024/09/11/protest-gegen-die-heimat/).
Während die Proteste im Osten von Gruppierungen wie der NPD-nahen „Elblandrevolte“ angestoßen und mit organisiert wurden, ist auffällig, dass es sich bei den Protesten im Süden überwiegend um dunkel gekleidete junge Faschisten handelt, die koordiniert am Rande, aber ohne erkennbar feste Anbindung an eine bestehende Organisation auftraten.
Dennoch gibt es Überschneidungen im Auftreten und in der Personenzahl.
Dies bringt Vermutungen nahe, dass sich seit einigen Monaten eine neue Nazigruppierung formiert. Ihre Hauptaktivität nach außen scheint sich derzeit auf die Störung von CSDs zu konzentrieren.
Aufgrund ihres Auftretens mit einheitlich schwarzer Kleidung, schwarz-rot-goldenen Sturmhauben, Symbolik der sogenannten „Altrechten“ wie Frakturschrift-T-Shirts oder schwarzen Sonnen ist davon auszugehen, dass sie dem Spektrum um NPD/JN zuzuordnen sind.
Inspiration und Aktionserfahrung holen sie sich auch von den Protesten im Osten: So war ein Teil der Faschisten, die rund um den CSD in Mannheim präsent waren, auch in Bautzen. Ebenfalls dabei, Lionel Mächtlen, der in der Vergangenheit durch seine Rolle bei der Pforzheimer Revolte auffallend war, war dort.
Um wen handelt es sich hier?
Vermutungen legen nahe, dass es sich um eine Gruppe Namens „Unitas Germanica“ handelt. Sie ist v.a. auf TikTok oder Instagram aktiv und gibt sich dort als Projekt des „Deutsche Jugend Voran“ aus.Über die sozialen Medien lässt sich auch eine Spur zu dem Onlineshop Defend Europe verfolgen, bei dem es sich vermutlich um den Materialversand von Unitas handelt. Hier gibt es auf der Website einen Link sowohl zu Unitas als auch zu Deutsche Jugend voran / German Sports Division.
Die Gruppe hier im Südwesten versucht das DJV-Konzept bei sich anzuwenden, bisher mit überschaubarem Erfolg. Sie haben es nicht geschafft, alleine CSD’s zu stören, und haben sich bisher nur an andere Mobilisierungen wie im Osten oder in Albstadt gehängt. Eine feste Organisation oder Anbindung an eine bestehende Gruppierung ist nicht erkennbar. Wenn, dann scheint die Anbindung sehr lose zu sein: zum einen sind keine bekannten Gesichter zu sehen, zum anderen ist das Auftreten nicht sehr professionell, was darauf schließen lässt, dass keine erfahrenen Leute dabei sind. Vor diesem Hintergrund dienen die Fahrten nach Ostdeutschland neben der Vernetzung wohl vor allem der Motivation und dem Sammeln von Erfolgserlebnissen und Erfahrungen, die sie alleine nicht erreichen könnten.
Anders sieht es bei Pforzheim Revolte aus: war es noch vor ein paar Jahren eine IB-Gruppe, die im Zuge des Rebrandings u.a. aus Angst vor Repression entstanden ist (ähnlich wie Wackre Schwaben, R21 etc.), orientiert sie sich jetzt neu und bandelt mit dem III. Weg, bzw. ihrer Jugendorganisation der National Revolutionäre Jugend, sowie mit „Deutsche Jugend Voran“ und Co an.
Warum entstehen gerade jetzt solche Gruppen?
Dafür gibt verschiedene Gründe:
1) Gesellschaftliche Krise und vermeintliche linke Regierungspolitik
Die Gesellschaftlichen Verhältnisse sind zugespitzt und die Krisenerscheinungen werden spürbarer: zunehmend Kriege und eine Kriegsgefahr, Nachwirkungen der Coronapandemie, Inflation und anbahnende
Wirtschaftskrisen. Während ein Großteil der Bevölkerung (un)mittelbar von den Folgen betroffen ist oder Zukunftsängste hat, heizt die aktuelle Regierung den Kriegskurs an, legt Sparpläne auf und versucht, die Krise durch reaktionäre Verschärfungen zu korrigieren. Das schafft ein Klima, in dem die Rechte an Boden gewinnt. Sie können an Ängste und Unzufriedenheit anknüpfen, sich als Opposition zur aktuellen Regierungspolitik inszenieren, die zu Recht für die Missstände verantwortlich gemacht wird und als links wahrgenommen wird, und gleichzeitig von der permanenten Rechtsentwicklung profitieren, die sich auch real-politisch niederschlägt.
2) Strukturelle und strategische Veränderungen innerhalb der Rechten
Im Zuge dieser Entwicklungen passt sich auch die Rechte strukturell an. Ein Teil davon ist, die Fokussierung auf die Jugend als widerständigen, mobilisierbaren Akteur und damit die Schwerpunktsetzung auf den Aufbau von Jugendgruppen. Am erfolgreichsten scheinen hier bisher „Die Heimat“ und der „Dritte Weg“ zu sein. Während die AfD durch das Erstarken des rechten Flügels immer stärker wird und in den ersten Bundesländern bereits stärkste parlamentarische Kraft ist, haben sich Teile der NPD zu „Die Heimat“ umstrukturiert, weg von der Fokussierung auf eine Wahlpartei hin zu einer Basis für Aktivismus. Die derzeit entstehenden Gruppen wie DJV und „Unitas Germanica“ gehen auf sie zurück.
Gleichzeitig verschwindet die „Identitäre Bewegung“ immer mehr in der Bedeutungslosigkeit. Trotz ihrer Umstrukturierung und Dezentralisierung vor einigen Jahren bleibt die IB in einem Dilemma gefangen: Einerseits will sie eine Jugendbewegung sein, andererseits elitäres Vorfeld der AfD. Während IB-Chef Sellner den Regimewechsel von rechts propagiert, beschränken sich die Aktionen auf die Selbstdarstellung im Internet inklusive Abgrenzung von Gewalt und Militanz. In der Vergangenheit war es die IB, welche mit ihrer aktiven und attraktiven Struktur glänzen konnte. Derzeit drängen sich jedoch immer mehr Jugendgruppen in den Vordergrund und bieten durch niederschwelligen Aktivismus und einen militanten Charakter, Teil der organisierten Rechten zu werden.
Was tun?
Der Krieg in der Ukraine und in Gaza wird weitergeführt, die Militarisierung nach Innen und Außen geht ungehindert weiter, begleitet von Kürzungen und Sanktionen. Die Rechte wird in absehbarer Zeit wieder in Regierungsverantwortung kommen, wodurch auch der militante Teil der Rechten mehr Kraft und Rückenstärkung bekommen wird. Kurz: Die derzeitigen Verschärfungen bieten einen idealen Nährboden für organisierte Faschisten.
Darauf müssen wir uns vorbereiten. Doch es hilft wenig, von den neuen Baseballschlägerjahren zu reden und in Schockstarre zu verfallen. Als Antifaschist:innen ist es auf der einen Seite unsere Aufgabe den Nährboden der Rechten zu verstehen und die Verantwortlichen dafür zu benennen. Auf der anderen Seite müssen wir eine Gegenposition entwickeln, eigene Antworten auf Krisen formulieren, um so den Rechten nicht den Raum zu überlassen.
Und vor allem müssen wir uns klarmachen, dass wir die Rechten jeder Art bekämpfen müssen.
Im Falle der „Unitas Germanica“ heißt das auch, ihre Unerfahrenheit zu erkennen und ihre Anfangsphase zu nutzen, um so früh wie möglich einzugreifen. So beunruhigend der derzeitige Aufschwung auch ist, stehen wir ihnen als über Jahrzehnte gewachsene antifaschistische Bewegung gegenüber.
Wir können diesen Kampf durchaus selbstbewusst führen. Und vor allem müssen wir es.
Nazis gibt’s in jeder Stadt – bildet Banden, macht sie platt!
„Unitas Germanica“ das Handwerk legen!
Hier findet ihr die pdf-Datei aus dem Original-Beitrag auf Indymedia, der die einzelnen Akteure und Aktivitäten konkreter aufschlüsselt.