Warum US-Faktenchecker Trump helfen – ohne es zu wollen

Viele Faktenchecker in den USA haben praktisch vor Trump kapituliert. Und versuchen um jeden Preis, den halb-senilen, faschistischen Dauerlügner vor Kritik zu schützen, sogar so weit, dass sie selbst Fakes verbreiten. Ihre Leserschaft ist entsetzt, aber das wird ignoriert. Wie es dazu kam und warum uns das auch in Deutschland drohen könnte.

Fangen wir doch mal direkt mit einem plastischen Beispiel an: Donald Trump ist der US-Präsident, der während seiner Amtszeit die höchste Verschuldung in vier Jahren erreicht hat: 7,9 Billionen (Ja, 1000 Milliarden) Dollar, mehr als jede andere Präsidentschaft in einem vergleichbaren Zeitraum. Joe Biden sagte deshalb faktisch absolut korrekt, Trump habe mit seinem Steuererlass für Reiche in Höhe von zwei Billionen Dollar die größte Schuldenlast eines Präsidenten in vier Jahren geschaffen.

Ein Faktencheck der New York Times behauptet jedoch absurderweise, dass Bidens Aussage „irreführend“ sei. Ihre Argumentation? Dass es zwar richtig sei, dass niemand in einer Amtszeit mehr Schulden angehäuft habe, aber die Verschuldung unter Barack Obama in seinen acht Amtsjahren stärker gestiegen sei als unter Trump in vier Jahren.

Und ich … was? Biden hat doch auch nur von einer Amtszeit gesprochen? Was der viel fairere Vergleich ist? Die New York Times erklärt hier etwas als “irreführend”, nachdem sie gesteht, dass es völlig richtig ist? Ja, niemand hat mehr Schulden in einer Amtszeit angehäuft als Trump. Also: Biden hat recht und 8 Jahre sind viel mehr als 4 Jahre? Und das ist “irreführend”? Was?!

Aber es geht weiter: Trump hat während seiner Präsidentschaft tatsächlich mehrfach vorgeschlagen, die Krankenversicherung “Medicare” zu kürzen. Als Trump im März 2024 gefragt wurde, wie man unter anderem die Ausgaben für Medicare kürzen könne, antwortete er: „Es gibt eine Menge, was man in Bezug auf die Ansprüche tun kann, in Bezug auf Kürzungen und auch in Bezug auf den Diebstahl und die schlechte Verwaltung der Ansprüche“. Es gibt eine lange Liste an Forderungen Trumps, Medicare zu kürzen – auch seine mehrfachen Versuche, das während seiner Amtszeit zu tun. Obwohl er bereits im Wahlkampf 2016 versprochen hatte, das nicht zu tun! Er ist halt ein Lügner!

Nun, Kamala Harris und Joe Biden haben beide diese Tatsache geäußert: Trump will Medicare kürzen. Und was machen die Faktenchecker von Politifact? Sie erklärten diese Aussage als „GRÖSSTENTEILS FALSCH”!

Es lässt einen sprachlos zurück. Nicht nur die unglaubliche Verweigerung, die Fakten zu sehen, aber das auch noch bei einem Faktenchecker! Die peinliche Begründung von Poltifact: Obwohl Trump mehrfach versucht hat, Medicare zu kürzen, hat er kürzlich mehrfach gesagt, dass er das jetzt nicht mehr vorhabe.

Ah, wenn es einer der größten Lügner des Planeten im Wahlkampf gesagt hat, dann muss es ja stimmen, oder?! Es ist unglaublich, wie himmelschreiend naiv sich die Faktenchecker hier anstellen. Trump hatte das gleiche falsche Versprechen bereits 2016 gemacht – und gebrochen. Das hat Politifact selbst dokumentiert! Aber jetzt tun sie so, als muss man ihm glauben.

Die US-Faktenchecker tun so, als würden Biden oder Harris die Unwahrheit sagen, weil der Mann, der in seiner Amtszeit 30.573 Lügen verbreitet hat, plötzlich etwas anderes behauptet, als das, was er die ganze Zeit gesagt und getan hat. Spezifisch sogar etwas, über das er schon in der Vergangenheit gelogen hat. Es wäre ein besserer Faktencheck gewesen, die Versprechen von Trump als Fake zu kennzeichnen, nicht die Aussagen derjenigen, die ihm jetzt nicht glauben – und das zu Recht!

Und das sind alles keine Einzelfälle mehr. Joe Biden soll laut Politifact “größtenteils falsch” liegen, wenn er einen ECHTEN Videoclip von Trump zeigt, in welchem er sagt, dass Frauen “irgendwie bestraft werden sollen”, wenn sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen wollen. Das hat Trump gesagt, aber diese echte Aussage wird magisch in den Augen der Faktenchecker “Fake”, weil Trump später nach Kritik zurückgerudert ist. Wieder: Wenn Trump – der Lügner – einmal was anderes gesagt hat, werden seine zuvor getroffenen Aussgen plötzlich nicht existent?

Eine andere Faktenchecker-Seite, Snopes, behauptet einfach, Trump habe 2017 nicht Neonazis “very fine people” genannt. Trump hatte bei einem Neonazi-Aufmarsch, bei dem eine Gegendemonstrantin bei einem Neonazi-Anschlag getötet wurde, erklärt, dass sowohl aufseiten der Neonazis als auch der Gegendemonstranten “very fine people” seien. Warum? Weil Trump später erklärt habe, er habe natürlich nur die Leute gemeint, die keine Neonazis seien. Die mystischen Nicht-Nazis IN DER NEONAZI-DEMO. Weil Trump später behauptet, er habe nicht Neonazis gemeint, sei es falsch zu behaupten, er habe Neonazis gelobt, so die Logik.

Diese absurde Einschätzung führte natürlich zu viel Protest, sodass die Faktenchecker eine Anmerkung nachtrugen, in der sie erklärten, dass sie nur gecheckt haben, was Trump gesagt hat und nicht, ob das, was er gesagt hat, stimmt. Was?! LEUTE IHR SEID FAKTENCHECKER!

Snopes

Trump hat Neonazis “very fine people” genannt. Aber Snopes tun so, als könnte man nicht wissen, ob auch Nicht-Neonazis auf der Neonazi-Demo waren und deshalb müsse man Trump – dem zehntausendfachen Lügner – glauben, dass er nur diese fiktive Gruppe meinte. Alles andere sind – laut Snopes – Fake News. Die Faschisten feiern es.

Politifact behauptete, es sei falsch zu behaupten (“mostly false”), Trump hätte US-Amerikanern geraten, sich Chlorbleiche zu spritzen. Er habe das zwar in einem seiner kaum kohärenten Gestammel als Möglichkeit aufgezählt, aber es sei technisch gesehen keine Empfehlung gewesen. Aber Leute haben es zu sich genommen, weil Trump das sagte und sind im Krankenhaus gelandet. Fun fact: Snopes widerspricht Politifact hier übrigens und sagt, es ist korrekt, dass Trump das gesagt hat. Absolut wild.

Snopes

Ich habe einige Beispiele genannt, es gibt noch viel, viel mehr. Ich muss mich langsam zurückhalten. Aber eines muss noch rein, weil es hier sogar immerhin eine Richtigstellung gab (, die aber auch zu wünschen übrig lies). Hier war es ein Text der Washington Post. Hillary Clinton sagte, Harris werde – im Gegensatz zu Trump – keine “Liebesbriefe an Diktatoren” verfassen.

Sie spielte darauf an, dass Trump über den koreanischen Diktator sagte: „Wir haben uns verliebt, okay? Nein, wirklich, er hat mir wunderschöne Briefe geschrieben, und es sind großartige Briefe. Wir haben uns verliebt.“ Und er diesem auch wirklich Briefe geschrieben hatte, die er “Liebesbriefe” nannte. Und was machte die Washington Post? Jo, die behauptete, das seien Fake News. Weil sie nicht wüssten, ob es wirklich Liebesbriefe von Trump an Kim Jong Un gebe! Nachdem sie gelernt hatten, dass es sie gab, änderten sie immerhin die Wertung, aber immer noch nicht zu “Wahr” sondern zu “Das liegt im Auge des Betrachters.“ Leben die in ihrer eigenen Welt?

Die Begründungen für die absurden Faktenchecks widersprechen sich sogar: Die einen wie Snopes bei “very fine people” legen als Standard das fest, was Trump gesagt hat, unabhängig davon, was tatsächlich wahr ist, die anderen, wie die Post, ignorieren das, was Trump gesagt hat, weil sie meinen, es gibt keine Beweise, dass es wahr ist. Es ist nicht mal konsistent.

Was ist nur mit den Faktencheckern passiert? Anstatt ein Bollwerk gegen Desinformation und Faschismus zu sein, scheinen sie um jeden Preis zu versuchen, Trump vor den Fakten (und sich selbst) in Schutz zu nehmen. Wenn Trump – der halb-senile, faschistische Lügner – widersprüchliche Dinge gesagt hat, wird willkürlich so getan, als ob die jüngste Aussage der Wahrheit entspreche und vorangegangene Aussagen damit quasi aus der Realität getilgt wurden.

Selbst wenn alle bekannten Fakten in nur eine Richtung deuten, selbst wenn etwas einfach stimmt, wird versucht, irgendeine technische Kleinigkeit zu finden, eine Doppeldeutigkeit oder eine fiktive Möglichkeit, um korrekte Aussagen über Trump als “größtenteils falsch” labeln zu können. Warum? Warum wird ausgerechnet einer der größten Lügner überhaupt so mit Samthandschuhen angefasst? Und natürlich kriegt die demokratische Kandidatin Kamala Harris nicht so eine wohlwollende Darstellung.

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Judd Leglum nannte es in seinem Blog den “fact-checking industrial complex”:

“Die Washington Post und andere große Medien sehen Faktenchecks nicht nur als Mittel, um falsche Behauptungen zu überprüfen. Sie betrachten es auch als eine Gelegenheit, zu zeigen, dass sie unparteiisch sind und beide Seiten – Republikaner und Demokraten – gleich behandeln. Hier beginnt das Problem.“

Keine Frage, jeder Politiker schwindelt mal, jeder verdreht die Tatsachen mal, jeder bringt mal Fake News. Aber der Unterschied zwischen Biden oder Harris und Trump sind Welten. Das Gleiche gilt für die demokratischen Parteien in Deutschland und für die AfD! Biden oder die Grünen sagen manchmal auch Unwahrheiten. Trump ist völlig losgelöst von der Realität. Die Washington Post selbst dokumentierte 30.573 Trump-Lügen in 4 Jahren. Und das in meistens auch in einem wirren stream-of-conciousness ohne kohärenten Punkt oder vollständigem Satz.

Das ist übrigens auch der Grund, warum wir bei Volksverpetzer überwiegend Faktenchecks zur AfD machen. Das sind halt die, die ständig lügen. Würden wir versuchen, genau so viele Faktenchecks über die Grünen zum Beispiel zu machen, werden wir sicherlich auch einiges finden, aber dann würde auch so ein Quark herauskommen, wie bei den vielen Beispielen, die ich oben aufgezählt habe. Dann müssten wir extrem streng versuchen, um jeden Preis eine Ungenauigkeit zu finden, damit wir auf unser Soll an “grünen Fakes” kommen. Umgekehrt bleiben die meisten AfD-Lügen sogar unkommentiert, weil es so viele sind, so viel Zeit kosten würde und irgendwie auch niemanden interessiert.

Und genau das passiert gerade in den USA. Die großen Medienkonzerne und Faktenchecker möchten “fair” und “ausgewogen” und “neutral” wirken, deswegen machen sie auch Faktenchecks bei den Demokraten. Und da müssen sie halt dringend Fakes finden. Dabei wird die Definition, was “Fake” ist, weit gestreckt – und eben auch selbst Fakes verbreitet. Diese “Faktenchecks” sind dann nicht nur viel pedantischer als fair wäre – oder als sie bei Trump sind – sie sind dann teilweise eben auch falsch. Leglum hat noch mehr Beispiele für diese Fake-Faktenchecks gesammelt, bei denen dir die Augen rausfallen werden.

In den USA ist es inzwischen schon ein running gag, diese schrecklichen Faktenchecks zu parodieren. Hier, wie die New York Times Luke Skywalker aus Star Wars “faktenchecken” würde:

“Luke behauptete, Imperator Palpatine habe ihm gedroht, ihn zu töten, aber wir bewerten diese Aussage als FALSCH. Der Imperator sagte: „Du wirst vernichtet werden“ und „Du wirst sterben“, aber er hat nie gesagt, dass er selbst das Töten übernehmen würde.”

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Da wir bei Volksverpetzer uns regelmäßig selbst den Begriff “Faktenchecker” geben, dürfte es gelegentliche Leser dieses Blogs verwundern, dass wir dieses Format kritisieren. Wer mein Buch “Werbung für die Wahrheit” gelesen hat, weiß, dass ich dieser Kritik ein ganzes Kapitel gewidmet habe. Weshalb wir uns am liebsten “Anti-Fake-News-Blog” nennen, übrigens. Aber hier sehe ich den knalligen Grundfehler von viel zu vielen Faktencheckern, von dem ich mich distanzieren möchte: Dieser “Bothsideism”. Diese Naivität, dass man “Neutral” sein könnte oder überhaupt sollte!

Faktenchecken so wie wir es machen sollte es eigentlich nicht geben müssen. Gab es ja früher auch nicht – da hat das Überprüfen von Tatsachen zum ganz normalen Repertoire von Journalisten gehört. Das dezidierte Faktenchecken ist erst nötig geworden wegen Faschisten wie Trump oder der AfD. Weil ihnen Fakten nicht nur völlig egal sind. Nein, sie hassen die Wahrheit und versuchen mit aller Gewalt, stattdessen ihr nicht nur menschenfeindliches, sondern auch falsches Weltbild uns allen aufzudrängen.

Faktenchecker sollen nicht “neutral” sein. Sie sollen sich für die Fakten einsetzen. Ja, sie sollen fair und überparteiisch sein. Aber wie wir an den vielen Beispielen gesehen haben, werfen sie genau das über Bord, weil ihnen die Pseudo-Neutralität wichtiger ist. Ich finde, fair und korrekt zu sein wichtiger als “neutral”. Auch jenseits vom Faktenchecken führt das zu einer regelrecht demokratiefeindlichen Doppelmoral in den Medienunternehmen. Das Problem ist nämlich strukturell. Kamala Harris wird unfair behandelt, weil man Angst hat, dass eine faire Behandlung – und damit zweifelsohne positivere als Trump – “parteiisch” wirkt. Während der senile Faschist von Medien behandelt wird, als seien sie seine PR-Berater und Spindoktoren.

Die Journalistin Margaret Sullivan hat mich auf den tollen Begriff “sanewashing” gebracht, der etwas schwer zu übersetzen ist. Es heißt, dass man etwas absichtlich vernünftiger darstellt, als es ist. Und den Wahnsinn absichtlich herunterspielt. Ich will es gleich mal plastisch zeigen. Hier ein Auszug aus einer Trump-Rede:

“Nun, ich würde das tun, und wir setzen uns zusammen – wissen Sie, ich war, äh, jemand, wir hatten Sen. Marco Rubio und meine Tochter, Ivanka, war so, äh, einflussreich bei diesem Thema. Es ist ein sehr wichtiges Thema.

Aber ich denke, wenn man über die Art von Zahlen spricht, über die ich spreche, dass – denn Kinderbetreuung ist Kinderbetreuung. Sie ist etwas, das man einfach haben muss. In diesem Land muss man sie haben.

Aber wenn man diese Zahlen mit den Zahlen vergleicht, von denen ich spreche, wenn man ausländische Nationen mit Steuern in einer Höhe belastet, an die sie nicht gewöhnt sind, aber sie werden sich sehr schnell daran gewöhnen. Es wird sie nicht davon abhalten, mit uns Geschäfte zu machen, aber sie werden eine sehr hohe Steuer zahlen müssen, wenn sie Produkte in unser Land schicken.

Diese Zahlen sind so viel größer als alle Zahlen, über die wir hier sprechen, einschließlich der Kinderbetreuung, dass wir uns darum kümmern werden. Wir werden – ich freue mich darauf, in relativ kurzer Zeit keine Defizite mehr zu haben. Gepaart mit der Reduzierung von Verschwendung und Betrug und all den anderen Dingen, die in unserem Land vor sich gehen – denn ich muss sagen, dass ich bei der Kinderbetreuung bleiben möchte, aber diese Zahlen sind klein im Vergleich zu den wirtschaftlichen Zahlen, von denen ich spreche, einschließlich des Wachstums.”

Ich habe keine Ahnung, was Trump da gesagt hat. Es war seniles Gestammel, das, wenn man es deziffern würde, ohnehin nichts mit der Realität gemeinsam hat. Aber was machen die großen Medien daraus? Die New York Times übersetzt das mit “Trump lobt Zölle und William McKinley vor Power Brokern”. Die Washington Post: „Trump erörtert Plan zur Bezahlung von Kinderbetreuung“.

Wie der Autor Thor Benson auf Twitter witzelte: „Ich hoffe, die Presse ist auch so nett zu mir, wenn ich jemals eine Rede halte, bei der niemand sagen kann, ob ich gerade einen Schlaganfall hatte oder nicht.”

Sullivan schreibt: “Trump ist mit dem Alter zunehmend unzusammenhängender geworden, doch man würde es nicht aus dem Großteil der Berichterstattung erfahren, die seine Äußerungen oft als im Wesentlichen logische politische Aussagen behandelt – sogar als eine „weitreichende Vision“.

Nach der intensiven Medienaufmerksamkeit, die Joe Bidens Alter und geistige Fitness erhalten hat, könnte man erwarten, dass Trumps offensichtlicher Abbau ebenfalls ein großes Thema wäre. Er ist schließlich 78 Jahre alt und oft unverständlich. Doch mit wenigen Ausnahmen ist das nicht geschehen.”

Was Trump sagt ist entweder unverständlich und sinnlos – oder direkt rassistisch oder faschistisch. Ersteres versuchen die Journalisten aus irgendeinem Grund zu “übersetzen”, weil sie ihren gewohnten modus operandi durchführen wollen und so tun, als sei Trump ein normaler Politiker, damit sie so tun können, als seien sie seriöse, “neutrale” Journalisten. Selbst wenn man dechiffriert, was er eigentlich sagen wollte, sind seine Aussagen dreiste Lügen und demokratiefeindlich. Und so redet Trump ständig! Das ist ja auch kein Aussetzer gewesen. Mehr Beispiele beim Blog “Public Note”.

Aber seine faschistischen Aussagen nehmen sie wiederum nicht ernst. Als Trump ankündigte, dass er die US-Demokratie abschaffen würde, hat quasi niemand darüber berichtet. Ja wirklich. In Florida sagte er letzten Monat:

„Christen, geht raus und wählt! Nur dieses Mal, danach müsst ihr es nicht mehr machen, in vier Jahren wird es behoben sein. Es wird in Ordnung sein. Ihr müsst nicht mehr wählen. In vier Jahren müsst ihr nicht noch einmal wählen.“

Okay, der Faschist hat hier angedeutet, dass, wenn er die Wahl gewinnt, man danach nicht noch mal wählen werden müsse. Der Mann, der über seine Wahlniederlage log und seine Anhänger zu einem Coup anstiftete. Diese Sachen hat er übrigens öfter gesagt. Die Berichterstattung in den US-Medien war dazu ziemlich mau, wie Sullivan anmerkte. Weil Trump ein alter, seniler Mann ist, der eh nur wirres Zeug sagt, nicht wahr?! Trump hat übrigens auch angekündigt, diejenigen zu politisch verfolgen, die verhinderten, dass er 2020 illegal die Macht an sich riss, dass seine Massendeportationen “blutig” sein werden, dass er einen Eroberungskrieg gegen die “Migrantengangs” führen werde. Die New York Times nannte das einen Vorschlag, der „die Wohnungsnachfrage vorübergehend drosseln“ könnte.

Diese Doppelmoral ist absurd, insbesondere da Harris oder Biden viel strenger behandelt werden, eben WEIL sie ernstzunehmende Politiker sind, denen man größtenteils vertrauen kann, die Wahrheit zu sagen. Und Trump wird alles bestmöglich ausgelegt! Genau verkehrt herum! Und ihr erinnert euch noch, wie sehr Bidens Alter und mentales Nachlassen krass in den Medien thematisiert wurde. Es wurde laut (besonders von Rechts, aber nicht nur) kritisiert, dass die Medien Bidens Geisteszustand zu sanft behandelten. Trumps wird fast gar nicht thematisiert.

Ja, die Art und Weise, wie viele Journalisten gewohnt sind, “seriösen Journalismus” zu machen stößt in der heutigen Zeit und mit einer politischen Landschaft wie in den USA und mit einem Lügner und Faschisten wie Trump an seine Grenzen. Die Zeiten haben sich geändert, aber viele Berichterstatter klammern sich an Ideale, die vielleicht auch schon früher nie erreichbar waren. Die Journalisten haben einen, wie es Parker Molloy nannte: “coherency bias”. Sie wollen seriös wirken, deshalb verzerren sie auch Trump, damit er seriös wirkt.

In Zeiten von steigenden Angriffen auf Journalisten und die Medien und dem Aufstieg der skrupellosen, oft von Russland bezahlten, lügenden, “alternativen” Medienwelt müssen wir lernen, dass Journalisten nicht neutrale Schiedsrichter sind. Nicht nur können wir nicht “neutral” sein, wenn wir direkt unter Beschuss sind, die Presse hat nie und kann nicht einfach nur eine Debatte “neutral” abbilden. Sie kann nie nicht die Debatte formen, in dem sie darüber berichtet. Auf eine Myriade an Arten, wie ich in “Werbung für die Wahrheit” genauer ausgeführt habe.

Aber selbst wenn Medien eine politische Debatte völlig perfekt und neutral wiedergeben würden, würden sie den Sachverhalt verzerren, denn die politischen Debatten sind verzerrt. Wer die rechtspopulistichen Forderungen eines Söders berichtet (“Söder fordert” ist ein eigenes journalistisches Genre, ich meins ernst: Google mal) – oder eben auch einen Faktencheck macht, in welchem der Fake in der Überschrift steht, aber eben nur mit einem Fragezeichen, der reproduziert diese Desinformation.

Ich plädiere hier nicht dafür, journalistische Grundsätze über Bord zu werfen, im Gegenteil. Stephen Robinson sagte es gut:

“Der Verleger der New York Times, AG Sulzberger, behauptete kürzlich in einem selbstdienlichen Post-Op-ed, die Demokraten wollten, dass seine Zeitung „die Neutralität aufgibt und sich direkt gegen [Trumps] Wiederwahl stellt“. Aber das ist ein Strohmann-Argument. Das Problem ist nicht, dass die Times „neutral“ ist. Das Problem ist, dass insbesondere die Times die Waage künstlich ausgleicht mit einer Berichterstattung, die den Anschein erweckt, als ob Kamala Harris gegen einen normalen republikanischen Kandidaten antritt, einen verrückten, schrägen Mitt Romney.”

Genau das ist doch das Problem: In ihrem Versuch, “neutral” zu sein, verzerren sie die Debatte! Wenn die Medien Trump – oder die AfD – angemessen betrachten würden, würde der offensichtliche Wahnsinn, Senilität und der Faschismus so deutlich werden, dass es aussehen würde, als würden sie ihn absichtlich schlecht aussehen lassen wollen.

“Das ist der Grund, warum die Presse Trumps Verurteilung wegen eines Kapitalverbrechens, die Anklagen und die mehr als zwei Dutzend Anschuldigungen wegen sexueller Übergriffe gegen ihn selten erwähnt”, schreibt Robinson.

Er schreibt weiter:

“Eine gängige Verteidigung der Trump-Berichterstattung durch die Medien ist, dass es fast unmöglich ist, jede schreckliche Sache, die er sagt und tut, im Detail zu beschreiben. Aber bei Trump gibt es eine durchgängige Erzählung: Er ist ein Krimineller, der die Macht der Präsidentschaft nutzen würde, um sich an seinen Feinden zu rächen. Das ist nicht kompliziert, und jede seiner Handlungen unterstützt diese These. Die Mainstream-Medien wollen das Offensichtliche einfach ignorieren.”

Auch die TV-Debatte zwischen Trump und Harris wurde zur großen Herausforderung für Harris dargestellt. Aber warum?! Es ist ja nicht so, als müsste sie einen ernstzunehmden Politiker debattieren. Und die Debatte hat ja auch gezeigt, was für ein peinlicher, seltsamer Mann Trump ist. Sie war ein Desaster für Trump, wenn man ihn einfach nur neben eine normale, vernünftige Frau stellt.

Ja, dass Faschisten und Lügner wie Trump oder die AfD überhaupt so gut abschneiden in unserer Gesellschaft offenbart ein tiefergehendes Problem über Bildung, positiven Visionen im Land, dem Einfluss Putins und ein Grundproblem von Social Media. Aber die Mainstream-Medien denken, sie könnten so weiter machen wie bisher.

Sie denken, sie können daneben stehen und das Spektakel nacherzählen und müssten dabei zusehen, nicht “parteiisch” zu sein für diejenigen, die die Wahrheit und unsere Demokratie verteidigen. In Deutschland ist es noch nicht so schlimm wie in den USA, aber wir sind auf dem Weg dahin. Wir haben kleine, unabhängige Faktenchecker und die Öffentlich-Rechtlichen. Auch wenn die die AfD auch mit ständiger Aufmerksamkeit pushen. Unsere großen Redaktionen müssen sehr schnell und dringend dazu lernen und sich an die neue Realität anpassen. Sonst passiert das, was in den USA mit den Medienunternehmen passiert, wie Robinson es nannte:

“Sie betäuben die Wähler für die wahre Bedrohung, während die Nation im Schlaf in den Faschismus hineinschlittert.”

Artikelbild: Screenshot NBC News

 

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