Die Unterstützer des Rassemblement National verstecken sich nicht mehr. Schlimmer noch, sie haben die Gewalt gegen Minderheiten seit dem 9. Juni und der Ankündigung der Auflösung verschärft: Homophobie, Rassismus, Sexismus, verbale und körperliche Angriffe… Ein Vorgeschmack darauf, was sich vervielfachen würde, wenn die extreme Rechte an die Macht käme.
Die Gewalt der extremen Rechten steigt sprunghaft an. Seit der Ankündigung der Auflösung der Nationalversammlung haben die Anhänger des Rassemblement National (RN) ihr wahres Gesicht gezeigt: Fremdenfeindlich, sexistisch und homophob. Das Ergebnis der Europawahlen hat sie beflügelt. „Bonobo“, „Geh in die Hundehütte“. Diese Beleidigungen wurden von den Nachbarn von Divine Kinkela, einer Pflegekraft aus der Region Loiret, ausgesprochen. Diese Frau, die für Envoyé Spécial (France 2) interviewt wurde1Envoyé Spécial ist eine Sendung des Französischen Fernsehsenders France 2, ist alltäglich Opfer des hemmungslosen Rassismus ihrer Nachbarn. „Wir sind zu Hause, also verziehst du dich. Wir sind in Frankreich, wir tun, was wir wollen, wir werden es dir beibringen, wenn dir das nicht klar ist“, schreien diese offenen Verehrer von Marine Le Pen und Jordan Bardella. Divine fühlt sich zu Hause nicht mehr willkommen. Wie sie haben viele Einwanderer und Franzosen mit Migrationshintergrund Angst und fühlen sich nicht mehr sicher.
Rassismus, Homophobie, Sexismus…
Dieser Fernsehbeitrag hat in den sozialen Netzwerken die Runde gemacht und ist bei weitem kein Einzelfall. „Ich habe die Nase voll von Leuten wie dir, Nordafrikaner2Beschimpfung ohne Übersetzung und Schwarze3Beschimpfung ohne Übersetzung, ich wähle RN, ich werde dich töten, ich werde dich massakrieren, ich werde dich ausradieren.“ Dies sind die Worte, die ein Autofahrer am Dienstag, den 25. Juni in Thiais (nahe Paris) zu einem Schulbusfahrer sprach. Letzterer wurde beleidigt und mit dem Tod bedroht, weil er einfach darum gebeten hatte, nicht auf einem Platz zu parken, der für Schulbusse reserviert war. Laut einer von der Staatsanwaltschaft Créteil bestätigten Polizeiquelle fuhr der Autofahrer absichtlich gegen die Beine des Busfahrers, bevor er flüchtete.
Der Aufstieg des RN enthemmt Rassisten, aber auch LGBTphobiker. Auf dem Heimweg von der Europawahl wurde ein 19-jähriger schwuler Mann von vier extrem rechten Aktivisten auf den Straßen von Paris angegriffen. „Du dreckige Schwuchtel, du bist eine Transe“, sagen sie zu ihm, bevor sie ihm mit der Faust gegen den Kopf schlagen. Nach diesem Angriff rief der junge Erwachsene schnell die Polizei. In Polizeigewahrsam bekräftigten die Täter ihre „paramilitärischen Ansprüche und ihre Zugehörigkeit zur GUD4“Groupe Union Défence“, gewalttätige französische faschistische Gruppierung und zum Rassemblement National“, so die Pariser Staatsanwaltschaft. Laut Libération5französische Zeitung sagte einer der rechtsextremen Aktivisten den Ermittlern: „In drei Wochen können wir so viele Schwuchteln kaputt hauen, wie wir wollen.“
Selbst im Rahmen von Demonstrationen gegen die extreme Rechte kommen deren Aktivisten, um sich aufzuplustern. Am 11. Juni griff ein Dutzend vermummter Männer in Nancy Demonstranten mit Gürteln an, um sich dann hinter eine Reihe der Bereitschaftspolizei flüchteten. Letztere griffen die antifaschistischen Aktivisten an und versprühten Tränengas. Kurz nach der Demonstration versuchten kleine Gruppen, die Demonstranten in den umliegenden Gassen einzuschüchtern.
Die aktuelle Situation scheint die radikalsten Ultrarechten und dieser Fraktion von Polizeibeamten zu beflügeln. Letztere wagen es jetzt tatsächlich wagen, ihre Unterstützung offen zu zeigen
schreibt das Online-Medium Blast.
@violencespolice auf Twitter:
Gestern in Nancy, unter dem zustimmenden Blick der Polizisten, ein Angriff durch eine extrem rechte Gruppe.
Am nächsten Tag, in Toulon, bedrohte eine Person einen Demonstranten mit einer Behinderung, bevor er den Hitlergruß zeigte: „Glaubst du, ich habe dich vergessen? Wir werden uns um dich kümmern“, sagte das Opfer gegenüber Streetpress, ihren Angreifer zitierebd. Zwei Tage später wurde der Nazi-Walzer in einer Bar in Lyon fortgesetzt, kurz nach einer Demonstration zur Unterstützung der NFP6Nouveau Front Populaire – „neue Volksfront“, neu gegründetes französisches Wahlbündnis von links. Im Gespräch mit Libération sagte Sarah: „Ich habe gesehen, wie ein Mann mit einer Fahrradkette geschlagen wurde. Sie warfen auch Stühle auf Menschen, warfen Tische um, es herrschte Chaos. Alle waren sehr verängstigt.“ Sarah hat diese Szene gefilmt, um sie in den sozialen Netzwerken zu posten. Seitdem wird sie aus faschistischen Kreisen schikaniert und bedroht.
Die extreme Rechte lädt sich sogar zu festlichen Veranstaltungen ein. „Da sind die Faschisten“, ruft eine Stimme auf der Bühne eines Tanzlokals in Angers. Wie in Ouest France7französische Zeitung enthüllt wurde, hatte eine Handvoll identitärer Aktivisten vor Antifaschisten anzugreifen, die auf der Terrasse saßen und gekommen waren, um ein Rap-Konzert zu sehen. Bewaffnet mit Pfefferspray und Gürteln, die meisten von ihnen mit maskierten Gesichtern, drang die Gruppe von Nationalisten mit stolz geschwellter Brust ein. Eine Untersuchung wegen Gewalt mit einer Waffe8vergl. Gefährliche Körperverletzung in Deutschland wurde eingeleitet. Der Manager des Tanzkaffees „Héron Carré“ sagte gegenüber Libération: „Im Moment sind sie überheblig (…) Ich dachte, sie würden nie hierher kommen, es sei ein einigermaßen sicherer Ort. Aber nein. Es ist eine Institution, die angegriffen wurde.“
Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens werden ins Visier genommen
Auf Instagram ist Karim Rissouli fassungslos. Es ist nicht etwa bei der Arbeit oder in den sozialen Netzwerken wo der Moderator von „C politique“ und „C ce soir“ rassistische Nachrichten erhält. Es ist bei ihm zu Hause. In diesem Brief erklärt die Person (die behauptet, ein RN-Aktivist zu sein), dass „das historische französische Volk all diese Kameltreiber satt hat“. „Frankreich wird Ihnen niemals gehören“, fährt er fort. Niemand ist immun, am wenigsten Journalisten.
Nazi-Drohbrief gegen dn Journalisten Karim Rissouli, gepostet auf dessen Instagram
Seit dem 9. Juni und der Parlamentsauflösung haben wir einen neuen Meilenstein in der ‚Hysterie‘ unserer Gesellschaft erreicht. Einige rechtsextreme Aktivisten denken, sie hätten bereits gewonnen, also erlauben sie sich alles
erklärt Erwan Chartier in Le Monde. Auch der bretonische Journalist von Poher hebdo ist Opfer von Einschüchterung: Seine Redaktion wurde kürzlich mit Aufklebern mit der Aufschrift „Erwartet die Säuberung… macht eine Bestandsaufnahme eurer Unterstützer“. Und in den letzten zwei Jahren wurden Mitarbeiter von der extremen Rechten angegriffen: Online-Drohungen, Einschüchterung per Telefon und E-Mail, Bombendrohungen… Der Grund? Vor dem Aufstieg der Ultrarechten in der Bretagne gewarnt zu haben. Eine Äußerung, der nun mit Drohungen geahndet wird.
„Schlampe“, „hässlich“ und „Islam“ sind auf den Wahlplakaten der Ökologin Sabrina Sebaihi in der Hauts-de-Seine getaggt. Auf denen ihrer Kollegin Julie Laernoes in Loire-Atlantique sind Hakenkreuze gezeichnet.
Die extreme Rechte ist die wahre Gefahr. Sie fühlt sich beflügelt. Wir sind Zeugen eines Ausbruchs von rassistischen und antisemitischen Handlungen
schrieb der scheidende Abgeordnete auf X (vormals Twitter). Wenn die Kandidaten des „Nouveau Front Populiare“ (NFP) Opfer des Faschismus sind, sind es die Frauen umso mehr.
Diese Vervielfachung der Taten zeigt, dass je mehr die extreme Rechte im Land politisch voranschreitet, desto mehr entfesselt sie diese nazistischen und faschistischen Äußerungen und Todesdrohungen
sagte Fabien Roussel im vergangenen Mai nach dem Neonazi-Graffiti auf dem Kriegerdenkmal in Escautpont9Das Denkmal ist den französischen Soldaten die im zweiten Weltkrieg auf der Seite der Alliierten gekämpft haben gewidmet. Einige französische Faschist:innen verherrlichen die Besatzung Frankreichs durch Deutschland und die faschistische Kollaborateur-Regierung..
Das kann nicht banalisiert werden.
Nazi-Schmierereien auf dem Denkmal in Escautpont, usprünglich gepostet auf der Facebookseite der Stadt
Und von Graffiti bis Drama ist der Grat sehr schmal. Am 22. Juni wurde die gewählte KPF10Kommunistische Partei Frankreichs-Funktionärin Anne Bachman in Fos-sur-Mer Ziel einer gewalttätigen Auseinandersetzung mit einem RN-Sympathisanten: Morddrohungen, verbale Angriffe, sexistische Beleidigungen… Die extreme Rechte wartet nur auf einen Sieg bei den Parlamentswahlen, um ihre Gewalt explodieren zu lassen.
Dies ist eine inoffizielle Übersetzung des Originaltextes. Wir versuchen auch sprachlich möglichst nah am Inhalt des Originals zu bleiben. Deshalb ist der Text auch auf die gleiche Art gegendert wie im Original.
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