Im sachsen-anhaltischen Möser findet sich ein AfD-Politiker auf den Wahlzetteln, der dort möglicherweise gar nicht kandidieren darf. Denn eine Recherche des MDR legt nahe, dass sein Hauptwohnsitz nicht in Möser liegt. Sollte sich diese Recherche bestätigen, begeht die rechtsextreme Partei in Sachsen-Anhalt Wahlbetrug. Und das auch noch mit einem Kandidaten, der Verbindungen zum Rechtsterrorismus hat.
AfD-Listenplatz drei des Wahlbereich III für die Kreistagswahl im Jerichower Land (Sachsen-Anhalt) besetzt „Tischer, Maximilian, 1990, selbstständig, Möser“ [PDF]. Für den Gemeinderat Möser steht er sogar auf Platz 1 der Liste der rechtsextremen Partei [PDF]. Geburtsdatum und Berufsstand mögen stimmen, doch mit der Angabe des Wohnorts Möser macht sich der Kandidat der rechtsextremen Partei möglicherweise strafbar. Zwar will sich Tischer eben dort in den Gemeinderat wählen lassen, aber eine Recherche des MDR legt nahe, dass es sich bei Möser womöglich nicht um seinen Hauptwohnsitz handelt.
Denn im 8.500 Seelenort kommt Maximilian Tischer auf Nachfrage kaum jemandem bekannt vor. Einzig ein AfD-Kollege kann Auskunft geben. Demnach vermiete er Tischer eine Wohnung. In deren unmittelbarer Nachbarschaft kennt Tischer erneut: niemand. Ein Klingelschild gibt es laut MDR-Recherche nicht, auch die Wohnung können die Redakteure nicht ausfindig machen, nur auf einem Briefkasten findet sich Tischers Nachname. Dieser sei erst kürzlich angebracht worden, so die Anwohnenden.
Die Frage des Wohnorts ist für die Wahlen sehr relevant. Um sich zur Gemeindewahl aufzustellen, muss Tischer seinen Hauptwohnsitz seit mindestens 3 Monaten in Möser haben. Hauptwohnsitz, das bedeutet, dass sein Lebensmittelpunkt in Möser liegt. Ohne Wohnung und Klingelschild schwer möglich. Die MDR-Recherche vermutet Tischer stattdessen in Berlin, wo er eine Immobilienfirma betreibt. Bevor die Landesrundfunkanstalt ihn bezüglich der Recherche anfragte, war er auf der Website des Unternehmens als Geschäftsführer angepriesen. Einen Tag nach der Anfrage existierte sie nicht mehr.
Sollte die Meldebehörde tatsächlich feststellen, dass Tischer seinen Hauptwohnsitz in Möser lediglich vorgetäuscht hat, wäre die verlorene Wahl das geringste seiner Probleme. Laut Paragraf 107a des Strafgesetzbuchs stehen auf Wahlfälschung fünf Jahre Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe.
Der mögliche Wahlbetrug wäre nicht das erste Mal, dass Maximilian Tischer mit dem Gesetz in Konflikt gerät. Bereits 2017 wurde wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gegen ihn ermittelt. Damals stand Tischer in engem Kontakt mit Franco Albrecht. Dieser war Oberleutnant der Bundeswehr und ist Lebensgefährte von Sophia Tischer, der Schwester des AfD-Kandidaten. Der Rechtsterrorist Albrecht wurde 2022 vom Oberlandesgericht Frankfurt wegen eines geplanten Terroranschlags zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt.
Albrecht hatte damals eine zweite Identität als syrischer Flüchtling erfunden, eine Schusswaffe am Wiener Flughafen versteckt , weitere Waffen illegal besessen und Munition bei der Bundeswehr mitgehen lassen. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass er aus seiner völkisch-nationalistischen Gesinnung heraus einen Terroranschlag plante.
Zwar wurden die Ermittlungen gegen Tischer in der Sache eingestellt, dennoch ist Albrecht noch heute der Lebensgefährte seiner Schwester, die beiden verbinden gemeinsame Kinder. Ohnehin scheint Maximilian Tischer der Rechtsextremismus, dem ihm der Militärische Abschirmdienst 2020 wegen seiner Vorstandstätigkeit bei der Jungen Alternative attestierte, in die Wiege gelegt. Seinen Vater Thomas Tischer entlarvte Undercover-Journalist Tobias Ginsburg bereits 2018 in seinem Buch „Die Reise ins Reich. Unter Reichsbürgern“ als Rechtsextremisten mit bewaffneten Umsturzfantasien. Bei seinen AfD-Kollegen scheint Sohn Maximilian Tischer dennoch – oder möglicherweise gerade wegen dieser Verbandelungen – gut anzukommen. Bundestagsabgeordneter Jan Nolte stellte ihn 2018 als persönlichen Referenten ein – und sah darüber hinweg, dass Tischer wegen der Ermittlungen gegen ihn zunächst der Hausausweis verwehrt blieb.
Die in Sachsen-Anhalt gesichert rechtsextreme AfD lebt von Desinformation und Hetze gegen die etablierten, demokratischen Parteien. Ihre heuchlerische Selbstdarstellung als Partei für die „normalen Menschen“ ist schon längst durch Studien und das Abstimmverhalten der Partei selbst widerlegt. Der mögliche Wahlbetrug in Sachsen-Anhalt zeigt nun einmal mehr, wie egal der AfD eigentlich die Menschen sind, die sie angeblich vertreten will.
Er zeigt aber auch, wie wichtig es ist, wählen zu gehen – gerade auf der kommunalen Ebene, wo die Wahlbeteiligung in der Regel niedriger ist als bei Bundestags- oder Landtagswahlen. Der AfD gelang es zuletzt in Thüringen, für die Kommunalwahlen zu mobilisieren, während viele potentielle Wähler:innen demokratischer Parteien zu Hause blieben. Deswegen zum Abschluss noch einmal der Aufruf für morgen: Geht alle wählen, für die Europawahl und die Kommunalwahlen. Es kann den Unterschied machen, ob eure Stadt oder Gemeinde in Zukunft demokratisch bleibt – oder von einer rechtsextremen Partei beherrscht wird. Möglicherweise noch mit Wahlbetrug.