Rassismus: Partykracher und politischer Alltag

Auf Sylt rufen ein paar wohlstandsverwahrloste Bonzenkids „Deutschland den Deutschen – Ausländer Raus„, zeigen hier und da den Hitlergruß und filmen sich dabei. Symptom der Normalisierung rechter Inhalte und Grund genug für eine Empörungswelle, hinter der sich bürgerliche Moralapostel verstecken können.

Die Normalisierung rechter Inhalte

Die extreme Rechte hat das Internet längst als Agitationsraum erkannt. Insbesondere die Funktionsweise von „social media“: Kurze Aufmerksamkeitsspanne, wenig Inhalt und Hauptsache viral gehen. Humor ist dabei gut, Skandale sind besser. Von „Ich lasse mir nicht mein Schnitzel wegnehmen!” bis “Alles für Deutschland” ist alles recht um Aufmerksamkeit zu bekommen.

Und das praktische am Internet ist, dass sich so etwas verselbstständigt. Der „Spaß“ „Deutschland den Deutschen – Ausländer Raus“ auf Gigi D’Agostinos „L’amour Toujours“ zu singen war im Januar schon einmal als Skandal viral gegangen – damals von AfD, JA und IB persönlich. Sicher war das der Partytruppe auf Sylt bekannt und sie empfand es als amüsant, das nachzuahmen.

Für die Normalisierung eines antifaschistischen Grundkonsens

Im Internet werden unterdessen die unlustigen Spaßvögel geoutet. So macht es sich unter anderem der TikToker 268anwar zur Aufgabe, möglichst viele Infos über die rassistische Partytruppe zu sammeln. Dadurch haben einige Personen im Video wohl bereits ihren Job oder Studienplatz verloren.

„268anwar“ und seine Community meinen einen der Party-Rassist:innen als den CSU-Politiker Maximilian Häringer identifiziert zu haben

Es ist ein kleiner Lichtblick, dass es scheinbar viele Menschen gibt, die nach solchen Aktionen nicht nur leere Lippenbekenntnisse in den Raum werfen, sondern für Konsequenzen sorgen.

Natürlich ist dies nur ein erster und kleiner Schritt einen antifaschistischen Grundkonsens in der Gesellschaft zu etablieren und gegen die sich immer weiter ausbreitende rechte Grundstimmung vorzugehen.

Rassist:innen zu ächten und Rassismus anzugreifen wo immer er auftritt, muss zur alltäglichen Selbstverständlichkeit werden.

Hände waschen in der Welle der Empörung

Wie zu erwarten nutzen auch mal wieder die großen selbsternannten Nazigegner:innen die Empörung, um ihr Geswissen reinzuwaschen. Gerade aus Richtung der Ampel, werden Stimmen der Verurteilung laut, obwohl sie selbst Forderungen nach „Ausländer raus“ stellen.

Bundeskanzler Olaf „Im großen Stil abschieben“ Scholz (SPD) findet die Parolen „eklig“. Muss an der musikalischen Untermalung liegen. Inhaltlich möchte er nämlich selbst viele Menschen auf Grundlage dessen, dass sie „Ausländer“ sind, „raus“schmeißen.

Innenministerin Nancy „Rückführungsverbesserungsgesetz“ Faeser (SPD) ist sogar in der Lage, die Vorfälle als rassistisch zu identifizieren. Bis sie einen praktischen Unterschied zwischen „Ausländer Raus“ und „Wir sorgen dafür dass Menschen ohne Bleiberecht schneller unser Land verlassen“ erklären kann, wird sie sich den gleichen Vorwurf anhören müssen.

Grünen-Co-Vorsitzende Rikarda Lang nennt das Video „unerträglich“. Aber was ist diese Bewertung wert, wenn auch schon die Palästina-solidarische Haltung von Greta Thunberg angeblich „Absolut unanständig” waren? Dass „Ausländer raus“ in Form der „Im Koalitionsvertrag verankerten Migrations- und Rückführungsabkommen“ praktisch umgesetzt wird, ist für sie aber nicht nur erträglich, sondern sogar erwünscht.

Wenn FDP-Fraktionschef Christopher Vogt dieses rassistische Verhalten aufs Schärfste kritisiert, muss man fragen wie das mit seiner Flucht- und Migrationspolitik zusammenpasst: Menschen an den EU-Außengrenzen nach Verwertbarkeit zu sortieren ist eine zutiefst rassistische Forderung, ganz im Sinne der kolonialen Ursprünge des Rassismus.

Karin Prien (CDU) findet diesen Rassismus „widerlich“. Gleichzeitig fordert sie aber verschärfte Kontrolle der EU-Außengrenzen mit der Begründung, Migration sei „Zündstoff für diese Gesellschaft„. Offenbar sind also die Migrant:innen daran schuld, dass ihnen in Deutschland Rassismus entgegenschlägt?

Etwas geistreicher äußerte sich Kevin Kühnert (SPD) als er meinte, „Rechtsradikalismus und Menschenfeindlichkeit“ seien keine Randphänomene, sondern in der Mitte der Gesellschaft vorhanden. Dumm nur, dass diese Menschenfeindlichkeit in seiner eigenen Partei Programm ist. Da war der Post „Deutschland den Deutschen – die unsere Demokratie verteidigen“ (betont sei das „unsere“) ehrlicher. Vor lauter Effekthascherei im Wahlkampf versuchten sie ironisch auch in der Debatte zu punkten. Das war aber eher ein Fail: Nicht nur dass sie sich wie mit ihrem sonstigen Wahlmaterial „Gegen Rechts“ mal wieder im Thema vergriffen haben, sie verstehen auch offensichtlich nicht, wie SocialMedia-User ticken. By the Way: Gendern wäre mal nicht schlecht, wenn man doch „alle Menschen erreichen“ will und das Provozieren als Stilmittel besser der FDP überlassen.

Was heißt das für uns?

Die „Action Antifasciste Paris-Banlieue“ hat es in ihrem Aufruf zur Gedenkdemonstration für Clément Méric schon gut ausgedrückt: Wir können nicht auf den geheuchelten bürgerlichen Antifaschismus bauen.

Während die AfD unter dem beschönigenden Begriff der „Remigration“ die Deportation von millionen Menschen unabhängig von der Staatsangehörigkeit fordert, setzen EU und BRD und in beiden die Ampel-Parteien, de facto das Asylrecht außer Kraft. (…)

Sowohl im verschärften Asylrecht, in der Reaktion auf Palästina-Solidarität, im Streit um das Streikrecht und im Kampf gegen Rechts an sich, zeigt sich noch eine hässliche Seite des allgemeinen Rechtsrucks: Die Repression. All die oben beschriebenen Angriffe auf Geflüchtete, Migrant:innen und auf Arbeitskämpfe sind repressive Angriffe gegen unsere Klasse, die sich am offensichtlichsten im Verbot, in Polizeigewalt auf der Straße oder vor Gericht zeigen. (…)

Im Kampf gegen Rechts können wir uns auf den Staat nicht verlassen! Eine klare Kante gegen Rechts bedeutet immer mit den Verhältnissen in Konflikt zu geraten. Weil dem Staat konsequenter Antifaschismus ein Dorn im Auge ist und weil der Rechtsruck bei der AfD weder anfängt noch aufhört. (…)

Deswegen reicht es nicht, „alle zusammen“ gegen die AfD zu kämpfen, sondern auch gegen die die längst umsetzen was die AfD fordert. Die rechte Welle brechen – da wo sie ihren Ausgang nimmt.

Aus dem Aufruf des Offenen Antifaschistischen Treffens Karlsruhe zur Kundgebung gegen Olaf Scholz

Wir brauchen einen Antifaschismus von unten, der sowohl breit getragen als auch konsequent ist. Und da der Faschismus einen Klassencharakter hat, nämlich die Verschleierung der Klassengegensätze zu Gunsten einer nationalistischen „Volksgemeinschaft“ die den Kapitalismus am Leben erhält, muss das bedeuten: Ein Antifaschismus mit proletarischem Klassenstandpunkt!

 

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