So gefährlich können „Finfluencer“ für unsere Demokratie sein

Ganz schnell ganz reich werden ohne allzu viel Aufwand – das ist das zweifelhafte Versprechen, mit dem manche Finanz-Influencer, kurz Finfluencer, werben. Neben dem Risiko, durch ihre angeblichen Ratschläge viel Geld zu verlieren, bieten einige krude Thesen, die nicht nur (zu Unrecht) Angst einjagen, sondern teilweise sogar antisemitisch sein können.  

Keine Frage, mit Geld haushalten lernen und sich mit Altersvorsorge zu beschäftigen, ist wichtig. 2023 haben 12,3 Millionen Menschen in Deutschland ihr Geld angelegt (Deutsches Aktieninstitut 2023). Immer mehr gehen dafür nicht mehr in die Bank zu ihrem Berater, sondern informieren sich über Youtube, TikTok und Instagram bei sog. Finfluencern.

Leider zeigt eine Studie des Swiss Finance Institutes von 2023, dass viele der Tipps unwirksam oder problembehaftet sind: Nur 28 Prozent der Ratschläge von Finfluencern sollen brauchbar sein, 56 Prozent sogar schädlich, also mit einhergehenden Verlusten, sobald man sie befolgt. Inzwischen warnt sogar schon die BaFin vor Finanztipps in Sozialen Medien. Und Grünenpolitiker aus dem Digitalausschuss haben laut Handelsblatt Empfehlungen an die EU-Kommission formuliert, wie  Finfluencer mehr reguliert werden können.

Bei manchen spricht einiges dafür, dass sie sich nicht einfach schlecht informiert haben, sondern sich gerne zu Crash-Propheten machen und die (demokratische) Regierung und unser Finanzsystem verteufeln. Einige setzen auf diese individuelle Mindset-Mentalität, um ihre Reichweiten zu steigern und daraus Profit zu schlagen.

Damit schaffen manche es offenbar sogar zur laut BaFin größten deutschen Finanzmesse Invest, die diese Woche in Stuttgart stattfindet. Unter den Panel-Gästen sind Finfluencer, die mit knalligen Titeln wie „Ist dein Geld in Gefahr? Bitcoin fordert Dollar heraus“, „Deshalb lügen sie über die Inflation“, „Regierung hindert dich am Vermögensaufbau“, „Deutschland stürzt massiv ab“ von sich reden machen. Hier sind ein paar der krassen Takes, die dubiose Finfluencer so raushauen, wie sie damit Gewinn machen und warum diese Masche so gefährlich sein kann.

Quelle: Screenshot youtube.com

Ein Zeichen für „alternative Fakten“: Finfluencer, die mahnen, dass du am besten schon gestern investiert hättest, und sonst am besten jetzt sofort, sonst würdest du „die Chance deines Lebens verpassen“. Sie wollen also bewusst FOMO (=fear of missing out, Angst, etwas zu verpassen) erzeugen, und benutzen übertriebene Überschriften, mit denen sie Szenarien heraufbeschwören, wie unsere Wirtschaft sich dramatisch schnell verschlechtern wird.

Sie knüpfen damit an knallige Schlagzeilen à la Bildzeitung an und greifen damit wahrgenommene Probleme vieler Menschen auf – ordnen diese Wahrnehmung aber nicht ein und füttern sie mit vielseitigen Perspektiven und Fakten, sondern bleiben einseitig und überzogen.

Wie übertrieben die Darstellungen sind, zeigt sich zum Beispiel daran, wie oft Crash-Propheten wie Marc Friedrich ihre Prognosen revidieren. Der Bestsellerautor prophezeite, dass der Euro spätestens 2023 untergehen wird, neben vielen anderen falschen Einordnungen. Auch in neueren Videos spricht Friedrich davon, dass der Euro gerade „eine Art Crash“ erfahren würde, und dramatisiert, dass der Euro an Kaufkraft verliere im Vergleich zum Bitcoin – ein absurder Vergleich unter anderem deswegen, weil der Euro uns nicht als Wertanlage dient, sondern als Zahlungsmittel. Und als dieses auch noch so weit funktioniert.

Um zu belegen, wie erfolgreich Bitcoin als Währung ist, nehmen manche Finfluencer El Salvador als Beispiel. Dabei ist der Erfolg der Bitcoin-Währung alles andere als klar. „Wie viel die Staatskasse mit Bitcoin gewonnen oder verloren hat, wissen wir nicht wirklich, weil es keinen transparenten Nachweis gibt, wann der Präsident in welcher Form wie viele Bitcoin gekauft hat“, sagt der Lateinamerika-Forscher Christian Ambrosius von der Freien Universität Berlin der Deutschen Welle. Der Bitcoin sei zwei Jahre nach der Einführung nicht besonders verbreitet und werde nicht von der breiten Masse akzeptiert.

Auch sonst loben einige Bitcoin-Jünger ihre liebste Kryptowährung in den Himmel. Wenn Bitcoin als Zahlungsmittel eingeführt werden würde, würde es zum Beispiel keine Kriege mehr geben und keine Inflation. Dieses einseitige Anpreisen ist nachgewiesenerweise eine Taktik von „schädlichen“ Influencern, sagt das Swiss Finance Institute.

Die Argumentation bei dem Kriegs-Argument ist eher abwegig: Da beim Bitcoin die Geldmenge ja begrenzt ist, seien somit die Ausgaben auch beschränkt und dann gar kein Geld da, um Krieg zu führen. Wenn man sich auf dieses Gedankenspiel einlässt, ist ja dann auch nicht genügend Geld da, um zum Beispiel Bildungs-, Klima- und Sozialpolitik zu finanzieren, und das könnte dann erst recht Krisen (und damit womöglich auch Kriege) befeuern.

Quelle: Screenshot youtube.com

Überhaupt wollen einige Finfluencer und Crashpropheten den Staat so schlank wie möglich und kritisieren die „Billionen“, die „ins System gepumpt“ werden und zu Inflation führen würden. Doch zwischen Staatsausgaben und Inflation muss nicht zwingend ein Zusammenhang bestehen, zum Beispiel, wenn die Inflation wie gerade durch steigende Energie- und Nahrungsmittelpreise, also durch die Angebotsseite, betrieben ist. In einer Krise kann es effektiv sein, als Regierung die Ausgaben zu steigern und Investitionen in zum Beispiel Infrastruktur, Unternehmen oder Bildung zu leisten.

Dazu kommt, dass die Europäische Zentralbank nicht umsonst zwei Prozent Inflation als Ziel gesetzt hat: Denn eine leichte Inflation erhält nach gängiger Wirtschaftslehre unter anderem Arbeitsplätze. Und von einer Hyperinflation kann bei einer aktuellen Preissteigerung von 2,4 Prozent nicht die Rede sein.

Oft benennen sie neben Horrorszenarien gleich die Schuldigen mit – in diesem Fall oft der Staat oder Personen innerhalb der Politik. Die Posts mit Bashing sind oft die beliebtesten – und viele nehmen diese Inhalte her, weil sie sich einfach gut klicken. In der Studie von Kakbodh et al zeigt sich, dass uninformierte Finfluencer häufig auf Trends aufspringen – und so ihre Reichweite im Gegensatz zu reflektierteren Finfluencern oft größer ist. Hier muss man allerdings sagen, dass die Studie sich auf die Trader-Plattform Stocktwits beschränkt – es ist also nicht untersucht, wie die Beliebtheit in anderen sozialen Netzwerken zustande kommt.

Einige Finfluencer, wie „Hoss und Hopf“ zum Beispiel, die kürzlich von TikTok wegen ihrer kruden Inhalte gesperrt wurden, wohnen nicht einmal in Deutschland, sondern in Ländern wie Arabischen Emirate, in denen sie keine oder nur sehr geringe Steuern zahlen müssten, und loben dann deren politische Systeme. Weniger Steuereinnahmen kann aber auch bedeuten, dass weniger Staatsausgaben möglich sind – und sich zum Beispiel kranke, arme oder alte Menschen schlechter oder gar nicht absichern können, kein Geld für Klima- und Bildungspolitik da sein könnte.

Natürlich gibt es da verschiedene Ansichten, welche Steuer- und Finanzpolitik die richtige ist, und das ist auch gut so in einer Demokratie. Einige der dubioseren Finfluencer verbreiten allerdings eine äußerst einseitige Sichtweise auf die Politik, verallgemeinern und leben die wahre „Cancel Culture“ – denn sie lassen keine verschiedenen Perspektiven oder eine Gegenseite zu ihren Darstellungen zu.

Quelle: Screenshot youtube.com

Wenn man sich einige Youtube- und Insta-Feeds ansieht, scheint es so, als hätten manche sich schon von der Demokratie als Staatsform verabschiedet. Zum Beispiel, wenn davon die Rede ist, dass Medien und Staat gleichgeschaltet seien oder es ein System ohne Parteien und eine andere Staatsform brauche. Dass es Demokratie nicht mehr gebe, weil globale Eliten Entscheidungen treffen würden. Hier wird dann manchmal wie beiläufig der jüdische Name „Rothschild“ eingestreut, und antisemitische Verschwörungserzählungen bedient.

Manche dieser Finfluencer haben dieses Geschäftsmodell, das mal offen, mal verdeckt der AfD oder auch Russland in die Hände spielt, seit der Finanzkrise 2007 über Corona perfektioniert. Sie profitieren von der Panik, die sie streuen. Denn oft finden sich unter diesen Videos Affiliate-Links, die zu Portfolios mit Kryptowährungen und Edelmetallen führen – manchmal eine geschickte Werbung für die eigenen Diamanten, Gold und Silbershops oder für Kreditanstalten, die teilweise zunächst gar nicht wissen oder zu wissen scheinen, wie ihre Werbepartner ticken.

Was hier passiert, ist so gefährlich, weil der Hang zu Verschwörungserzählungen in der Gesellschaft immer größer wird: Die repräsentative Mitte-Studie der Friedrich Ebert Stiftung von 2023 fand heraus, dass 38 Prozent der Befragten zu Verschwörungsglauben neigten. 32 Prozent glaubten die Aussage „Politiker und andere Führungspersönlichkeiten sind nur Marionetten der dahinterstehenden Mächte“, genauso viele waren davon überzeugt, dass Medien und Politik „unter einer Decke“ steckten.

Das wirkt unter anderem durch die in der Forschung so benannte „Hundepfeife“. Das sind zum Beispiel Begriffe, die nur bestimmte Menschen zum Beispiel als Code für die dahinter stehende antisemitische Ideologie verstehen. Sie klingen erstmal unproblematisch und lotsen Menschen, die sich mit den Themen noch nicht viel beschäftigt haben, in die gewünschte Richtung einer Verschwörungserzählung.

Hundepfeife heißt das Ganze, weil eine Hundepfeife für Hunde, jedoch nicht für Menschen hörbar ist. In diesem Fall dient also die libertäre Kritik an der Regierung als Hundepfeife, mit der sich zunächst noch einige Menschen identifizieren können, der aber schon Teil der antisemitischen Hassrede ist.

Der Verhaltensökonom Dominik Enste zeigt in einer Studie, wie leicht Menschen beeinflussbar sind, die sich bedroht fühlen. Sie sind durch die andauernde Krise verunsichert und geraten in einen Sinnfindungsprozess. Wenn rechte Verschwörungserzähler es dann schaffen, eine deutliche Außenseiter-Gruppe zu finden und ein Gemeinschaftsgefühl zu schaffen, fassen die Verschwörungserzählungen umso leichter Fuß.

Mit unter anderem zwei Tricks gelinge ihnen das leichter: Ihre Thesen, unbelegte, reine Behauptungen, wiederholen sie immer und immer wieder. Damit wollen sie zum Einen Verwirrung stiften, zum Anderen setzen sie auf den Effekt, dass wir dazu geneigt sind, Inhalte leichter zu glauben, je häufiger wir sie hören.

Außerdem versuchen sie, möglichst authentisch rüberzukommen, tauschen Symphatien aus mit anderen Krypto-Bros und inszenieren sich als große solidarische Gemeinschaft. Eine andere Studie zeigt, dass zwei Eigenschaften für Influencer generell wichtig sind: 39 Prozent der Befragten fanden umfangreiche Produktkenntnisse wichtig, 37 Prozent ein authentisches Auftreten. Bei 16 bis 19-Jährigen waren es sogar 66 Prozent für Authentizität und 64 Prozent für Kompetenz.

Wohin die Hundepfeife, die Wiederholungstaktiken und die vorgetäuschte Authentizität führen können, hat man in den USA beim Sturm aufs Kapitol am 6. Januar gesehen oder bei dem antisemitischen Täter in Halle, um nur zwei zu nennen. Antisemitische Verschwörungserzählungen können letztendlich zu antisemitischer und antidemokratischer Gewalt führen und sind deswegen so gefährlich.

Ein Tipp, um diese Spirale vermeiden zu können, kommt aus einer Studie von 2020: Sie sagt, je mehr sich Menschen bei Massenmedien informieren, desto weniger würden sie Verschwörungserzählungen verfallen. Aus den Daten vom Swiss Finance Institute lässt sich ableiten, eher Ratschläge von Finfluencern zu Rate zu ziehen die nicht sehr oft etwas posten und die nicht übertriebene Kauftipps geben, sondern eher allgemein Tipps geben und dabei nicht nur bashen, sondern mehrere Meinungen zulassen.

Die BaFin rät davon ab, Finfluencern mit hohen Followerzahlen direkt zu vertrauen – denn das bedeute nicht automatisch Seriösität. Pro und Kontra abwägen, kein Zeitdruck und hohe Gewinnversprechen eher zu umgehen sind weitere Tipps, genauso wie natürlich, Quellen zu überprüfen. Dann lassen sich viele der „schädlichen“ Influencer auch mal mehr, mal weniger leicht entlarven.

Artikelbild: Jan von Uxkull-Gyllenband

 

Nach oben scrollen