Xavier Naidoo muss mehr tun, damit wir ihm verzeihen können

Bei einem Auftritt in Saarbrücken hat Komiker Oliver Pocher, für großes Aufsehen gesorgt. Er hat den kontroversen Sänger Xavier Naidoo auf die Bühne seiner „Liebeskaspar-Tournee“ geholt. Wie auf Instagram zu sehen, begeisterte Pocher sein Publikum mit der Ankündigung „Xavier Naidoo sei in da house“ und lobte ihn als „den besten Sänger“. Unter den Fans gibt es nicht nur Begeisterung, sondern auch Entsetzen. Naidoo hat vor wenigen Jahren noch gegen Juden gehetzt. Alles vergessen?

Als Xavier Naidoo im Frühjahr 2022 sich dann von seinen Verschwörungsmythen und Antisemitismus distanzierte, gab es einen riesigen Aufschrei in der Verschwörungsblase. Es war also durchaus ein Bruch mit der eigenen Community. 

Wir begrüßten das, schrieben damals aber auch: „Es ist noch zu früh, um die Aufrichtigkeit seiner Kehrtwende zu beurteilen“:

In seinem damaligen Video sprach Naidoo nachvollziehbare Beweggründe an: Putins Invasion der Ukraine habe für ihn dazu geführt, seine Überzeugungen zu hinterfragen. Sein Video blieb allerdings vage. Er sprach davon, dass er „viel Mist“ von sich gegeben habe, aber nicht konkret, was davon genau er für Mist hält und was eben nicht. Seitdem herrschte allerdings Funkstille. Seit über 2 Jahren jetzt. 

Ein ehemaliger Freund von Naidoo formuliert es so:

„Aber da ist so viel kaputtgegangen in der Zeit und da reicht es einfach nicht, sich einmal hinzustellen und zu sagen, sorry, ich bin da falsch abgebogen, sondern da müsste er eigentlich deutlicher auch den anderen gegenüber signalisieren, ey, ich will wieder zurück.“

Naidoo verbreitet nicht erst seit der Pandemie Rechtsextremismus. ​​1999 bezeichnete sich Naidoo sogar selbst als „Rassist“ und sagte: „Und bevor ich irgendwelchen Tieren oder Ausländern Gutes tue, agiere ich lieber für Mannheim“. 2009 nutzte er mehrfach in seinen Songs auch schon von den Nazis verwendete, antisemitische Sprache: „Baron Totschild gibt den Ton an, und er scheißt auf euch Gockel“ („Raus aus dem Reichstag“) und behauptete in „Goldwaagen/Goldwagen“, die CIA stecke hinter allen islamistischen Anschlägen.

2011 verbreitete er Reichsbürger-Verschwörungsfantasien, dass Deutschland ein „besetztes Land“ sei. Er trat auch bei einer Veranstaltung von Reichsbürgern auf, wo er wirre Thesen zu den islamistischen Anschlägen 2001 verbreitete. Auch Homophobie darf nicht fehlen: 2012 verband Naidoo gemeinsam mit Kool Savas Kindesmissbrauch und Pädophilie mit Homosexualität und äußerte Gewaltfantasien. Wir berichteten:

Naidoo war seit langem christlich-religiöser Extremist, homophob, rassistisch, glaubte daran, dass die Erde eine Scheibe sei, leugnete den Urknall, den Klimawandel, den deutschen Staat und vieles mehr. Seit seinem Rauswurf bei „Deutschland sucht den Superstar“ 2020 driftete er jedoch noch tiefer in eine Verschwörungswelt ab und wurde zu einem der größten Verschwörungshetzer im deutschsprachigen Telegram.

In zwei Videos, die er in seiner Telegram-Gruppe hochgeladen hatte, verbreitete er den gefährlichen Verschwörungsmythos, der von einer „Industrie, die Kinder foltert und mordet“ erzählt und von einem gewissen „Adrenochrom“. In diesen Märchen ist dieses „Adrenochrom“ ein Elixier, welches angeblich aus dem Blut von Kindern gewonnen werde, welche dafür gefoltert werden. Naidoo verbreitet somit prominent einen wahnwitzigen, rechtsextremen Verschwörungsmythos aus den „QAnon“-Gruppen.

Während der Pandemie brachen sämtliche Dämme. Er teilte die widerwärtigsten Verschwörungsmythen, die der globale Antisemitismus zu bieten hat. Er hat ungehemmten, brutalsten Hass gegen Juden verbreitet. Sein während der Pandemie veröffentlichter Song zeigte im Musikvideo ein in Brand gestecktes Impfzentrum:

Seine Hetze gegen Jüdinnen und Juden hat zu bleibenden Schäden geführt. Wer ihm zu Telegram gefolgt ist, dem empfahl er rechtsradikale und sogar rechtsterroristische Gruppen, in denen zu Hass an Jüdinnen und Juden aufgestachelt wurde. Selbst wenn wir Xavier Naidoos Kehrtwende abkaufen, ist da eben immer noch dieser riesige Schaden, den er angerichtet hat. Er hat jüdischen Mitmenschen einer massiven Gefahr an Leib und Leben ausgesetzt. Wir müssen immer eine Hand ausstrecken für alle, die sich von so etwas abkehren wollen. So etwas dürfen wir nicht einfach so verzeihen. Hier zwei Beispiele. Es gibt dutzende weitere, die wir dir hier ersparen:

Naidoo empfahl einen Kanal, in dem solche rechtsterroristischen Mordaufrufe geteilt wurden: 

Naidoo hat jahrelang die wildesten Lügen und Hass verbreitet. Wir können ihm nicht ohne weiteres abkaufen, dass gerade das Video, in dem er sich distanziert, der Wahrheit entspricht. Versteht mich nicht falsch: Wir würden es gern glauben. Aber der tägliche Kampf gegen Fake News lehrt uns genau das: Nicht einfach glauben, was wir für wahr halten wollen. Von was distanziert er sich denn? Vom Judenhass? Vom Rassismus? Seiner Homophobie? Hat er wirklich dazu gelernt? Wenn ja, was? Das hat er nie aufgeklärt

Xavier Naidoo ist nicht einfach nur ein Freund, der abgedriftet ist, und dem man im persönlichen Gespräch verzeihen kann. Er hat eine riesige Reichweite missbraucht, um massiv Schaden anzurichten. Hass und Lügen zu streuen.

Naidoo sollte klar kommunizieren, welche seiner Verschwörung-Lügen er für falsch hält und warum. Das hätte gleichzeitig den Vorteil, dass er seine damalige Community aufklären kann, warum er das nun auf einmal für falsch hält. Deren damalige Reaktionen zeigen nämlich, dass sie das nicht wirklich verstanden haben.

Naidoo sollte außerdem konkret Menschen um Verzeihung bitten, denen er Schaden zugefügt hat. Uns ist nicht bekannt, dass Naidoo sich bei Juden, Ärzten, Journalisten, Wissenschaftlern, Homosexuellen, Menschen anderer Herkunft oder Politikern entschuldigt hätte, denen er so viel Leid zugefügt hat. 

Naidoo könnte sich auch anderweitig für Aufklärung, die „Wahrheit“, einsetzen. Indem er Faktenchecks teilt, Aufklärung zum Holocaust. Indem er reflektiert, welche Mechanismen ihn radikalisiert haben, indem er andere davor warnt, denselben Fehler zu begehen. 

Naidoo ist außerdem ein wohlhabender Mann. Seine Plattenfirma erhielt ironischerweise über eine Million Euro an Corona-Hilfen. Es liegt auf der Hand, dass er auch finanziell Wiedergutmachung leisten könnte. Ein kurzer Bühnenauftritt bei Oliver Pocher kann das nicht leisten.

Teile des Artikels wurden mit maschineller Hilfe erstellt. Artikelbild: Screenshot youtube.com; Telegram

 

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