Das verschweigt BILD: Diese 24 Flüchtlinge kosten dich 1,4 Milliarden Euro!

Okay, davon hast du vielleicht noch nie gehört, weil es „nur“ Steuer-Flüchtlinge sind, die davor flüchten, ihren gerechten Beitrag für die Gesellschaft zu leisten und keine Menschen, die aufgrund von Krieg, Hunger oder Verfolgung ihre Heimat verlassen mussten. Aber im Unterschied zu echten Schutzsuchenden umgehen hier wirklich einige wenige superreiche Personen mit dem Steuertrick „Verschonungsbedarf“ ihren Beitrag zur Gesellschaft. Wo bleibt der Aufschrei?

Eins vorab: Falls du tatsächlich auf einen Rant gegen „kriminelle Flüchtlinge“ gehofft hattest, muss ich dich enttäuschen. In diesem Artikel geht es um ein echtes, gravierendes Problem, das nicht in BILD-Schlagzeilen stattfindet, dafür eins aus der realen Welt. Die Flüchtlinge in diesem Text fliehen nur davor, ihr Vermögen gerecht zu besteuern. Und entziehen dem Staat damit Geld, das er für das Wohl seiner Bürger:innen ausgeben könnte. Und damit auch für dich.

Denn während die normale Bevölkerung mit steigenden Mietkosten, sinkenden Reallöhnen, teils nicht erfüllten Rentenansprüchen und generell zunehmender Ungleichheit zu kämpfen hat, leisten wir uns gleichzeitig unnötige und unproduktive Millionengeschenke an einzelne Superreiche – und kaum jemand redet darüber. Hat das etwas damit zu tun, dass einer der prominentesten Flüchtlinge vor der Steuer gleichzeitig Medien mit enormer Reichweite kontrolliert? Wir werden sehen.

Das entscheidende Stichwort für diese Steuergeschenke lautet „Verschonungsbedarf“. Die Prüfung auf Verschonungsbedarf hat allein 2022 dafür gesorgt, dass 24 Menschen in Deutschland insgesamt 1,4 Milliarden Euro an Steuern sparen konnten. Ja, beide Zahlen sind kein Versehen. Das sind 1 400 000 000 Euro. Für 24 Leute. Willkommen in der Welt der superreichen Erben. Denn genau darum geht es bei der „Verschonung“, die in der Praxis zum Geschenk werden kann: Große Summen an geerbtem Vermögen.

Wenn eine Person stirbt und ihr Vermögen vererbt, wird nach deutschem Recht grundsätzlich eine Erbschaftssteuer fällig. Damit allerdings niemand aufgrund dieser Steuer plötzlich in eine finanzielle Notlage rutscht, gibt es relativ großzügige Ausnahmen von der Steuer. Vor allem sind das die sogenannten Freibeträge nach §16 ErbStG.

Demnach können Angehörige relativ hohe Summen erben, ohne sich überhaupt Gedanken um die Steuer machen zu müssen. Das sind bis zu 500.000 Euro für Ehe- und Lebenspartner:innen, bis zu 400.000 Euro für jedes Kind (oder Enkel, deren Elternteil bereits verstorben ist), je 200.000 Euro für Enkel und 100.000 Euro für alle weiteren Verwandten in direkter Linie. Also: Die meisten Menschen brauchen sich darum, keine Gedanken zu machen. Das betrifft dich rein statistisch gesehen höchstwahrscheinlich nicht. Nur Leute, denen es sehr gut geht.

Dazu kommen noch weitere Pauschalen, die nicht auf alle Erben zutreffen wie den Versorgungsfreibetrag und den Pflegefreibetrag (§13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG). In der Praxis wichtig ist, dass außerdem Ehepartner:innen eine selbstgenutzte Immobilie komplett steuerfrei erben können, für Kinder gilt dies bis zu einer Wohnfläche von 200 m² (§13 Abs. 1 Nr. 4b, 4c ErbStG). Das heißt, dass man keine Steuer zahlen muss, wenn der/die Partner:in stirbt und man den gemeinsam genutzten Wohnraum erbt.

Das Durchschnittserbe lag laut einer Studie von 2021 im Zeitraum 2002-2017 bei 85.000 Euro. Dieses wird allerdings noch stark nach oben verfälscht, da einige wenige extrem hohe Erben den Schnitt hochziehen. Betrachtet man das Medianerbe, also das Erbe, das genau in der Mitte zwischen dem höchsten und niedrigsten Erbe liegt, kommt man bei rund 32.000 Euro raus. Diese Werte liegen also weit entfernt von den oben genannte Freibeträgen. Bedenkt man, dass man zusätzlich noch aller 10 Jahre zu ähnlichen Bedingungen große Mengen an Vermögen schenken darf (mit dem netten Nebeneffekt, dass dafür niemand sterben muss), könnte man davon ausgehen, dass für normal arbeitende und verdienende Menschen daraus keine existenziellen Probleme entstehen.

Und dennoch gibt es in Deutschland auch für Superreiche, bei denen es nicht um existenzielle Fragen, sondern die Mehrung des Vermögens geht, Tricks, Vermögen am Staat vorbeizuerben und -schenken. Besonders bizarre Auswirkungen hat dabei die oben erwähnte Prüfung auf Verschonungsbedarf. Damit kann für Schenkung und Erbe von Betriebsvermögen (also explizit nicht privatem Vermögen!) ab einer Höhe von 26 Millionen (!) Euro von der empfangenden Person angemeldet werden, dass sie zu wenig Vermögen habe, um die Steuern auf dieses Betriebsvermögen zu zahlen.

Das wird von manchen verteidigt mit dem Schutz von Unternehmen und Arbeitsplätzen, führt in der Praxis aber dazu, dass Schenkungen in Millionenhöhe von Reichen an Reiche unversteuert bleiben. Sie werden zu Flüchtlingen, die vor ihrer sozialen Verantwortung fliehen. Währenddessen muss der Staat laut manchen Politikern an diversen Orten Geld sparen? Wenn Geld fehlt, egal ob bei der Kindergrundsicherung oder für die Bauern, warum verschenkt man es dann an die, die ohnehin so viel davon haben?

Der entscheidende Punkt ist nämlich, dass sich die beschenkte Person selbst aussuchen kann, an welchem Tag die Prüfung stattfindet. Und dann kann sie sich genau an diesem Tag „arm rechnen“, also das hohe Privatvermögen vorübergehend anderswo parken. Das Finanzamt sieht dann den vermeintlichen „Verschonungsbedarf“, die Schenkung wird durchgewunken. Daraufhin holt sich die Person ihr Privatvermögen zurück und hat einfach mal eine gute Summe Geld ohne Gegenleistung geschenkt bekommen.

Das ist nicht nur eine theoretische Möglichkeit, es passiert auch in der Praxis. Prominentes Beispiel ist Mathias Döpfner. Ja, der Boss vom Axel-Springer-Verlag, dem BILD und WELT gehören und dessen konkreten Einflussnahme auf Politik und Demokratie spätestens seit letztem Jahr bekannt ist. Mathias Döpfner bekam von Friede Springer, der Witwe von Axel Springer, Aktien im Wert von einer Milliarde Euro geschenkt. Da es sich hier um Unternehmensanteile handelt, könnte Döpfner grundsätzlich von der Steuer ausgenommen werden, wenn er zu wenig Geld hätte. Das „Problem“: Mathias Döpfner hatte schon zuvor ein Privatvermögen in Höhe von mindestens 276 Millionen Euro. Wahrscheinlich zu viel für eine erfolgreiche Prüfung auf Verschonungsbedarf.

Doch gut für den Millionär Döpfner: Er weiß ja, an welchem Tag das Finanzamt die Prüfung ansetzt. Also kaufte er einfach kurz vorher selbst Anteil an Axel Springer, wodurch aus seinem Privatvermögen noch mehr Firmenanteile wurden. So war Döpfner, aus Sicht des Finanzamts, einfach ein armer Mann, der von einer netten Dame eine Milliarde Euro in Firmenanteilen bekam. Ein Mann, der übrigens nicht nur mit seinen Zeitungen rassistische Desinformation und Verschwörungsmythen verbreitet. Großzügig bestätigte dann das Finanzamt, dass der Mann verschont werden und keine Steuern zahlen muss. Glück muss man haben!

Mit diesem Trick sparten nun also allein 2022 genau 24 Personen 1,4 Milliarden Euro an Steuern. Diese Vergünstigung wird sogar im offiziellen Subventionsbericht der Bundesregierung (S. 20) als „größte Steuervergünstigung“ überhaupt bezeichnet. Illegal ist das nicht, aber ob wir uns eine solch löchrige Gesetzeslage leisten können, darüber lässt sich doch zumindest streiten. Zumal gerade an deutlich grundlegenderen Stellen gekürzt wird, wie in der Landwirtschaft (was Auslöser für die von rechts unterwanderten Bauernproteste im Januar war) oder bei der Kindergrundsicherung. Als letztes Jahr nach einem Urteil plötzlich Milliarden im Haushalt fehlten, standen Klima, Bürgergeld, Rente, Geflüchtete auf der Kürzungsliste – aber nicht Erbe und Schenkungen von Superreichen.

Und besonders auffällig daran: Es ist kaum aufgefallen. Landwirte, der Klimaschutz, Menschen mit Migrationshintergrund, Rentner:innen, Arbeitslose sowie Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen – sie alle wurden und werden immer wieder gegeneinander ausgespielt. Auch und gerade BILD ist da immer vorne mit dabei. Die Menschen sollen sich über das Gasnetz oder den Fake-„Kohlewinter“ empören. Sie sollen sich mit einem Kita-Namensstreit beschäftigen und über Wärmepumpen aufregen. Oder auch über das Bürgergeld und über Migration, also die von echten Flüchtlingen ohne Millionenvermögen, sowieso schon immer. Diese Themen werden mit Lügen und Hetze dank der Axel-Springer-Millionen auf die Agenda gesetzt.

Wir versuchen, mit der Fake News-Schleuder BILD und anderen mitzuhalten. Doch die demokratische Gesellschaft kann sich nicht darauf beschränken, immer nur hinterherzurennen, Fakten zu checken und Fakes zu widerlegen. Wir müssen selbst unsere eigenen Narrative setzen. Nicht immer nur die falsche Empörung der Springermedien beschwichtigen, sondern sich auch einmal selbst empören: Wie kann es denn sein, dass 24 Steuerflüchtlinge den Staat weit über eine Milliarde allein im vergangenen Jahr kosteten und wir trotzdem lieber Unsinns-Debatten über „Strombettler“ oder Frauenumkleiden führen? Liegt es etwa daran, dass ein Steuer-Flüchtling höchstpersönlich den Diskurs beeinflusst? Man wird ja wohl noch fragen dürfen.

Titelbild: dpa/Kay Nietfeld, canva.com

 

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