Die AfD wird bereits als Gesamtpartei vom Bundesverfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall überwacht. Die AfD klagte dagegen, am 12. und 13. März sollte die endgültige Entscheidung vor dem OVG Münster in der Berufung fallen. Sollte. Denn obwohl die Partei vermeintlich eine Entscheidung möchte und zumindest vor Gericht argumentiert, dass diese Einstufung nicht korrekt sei, offenbarte ihre Taktik etwas anderes: Verschleppung des Urteils. Der Verfassungsschutz warf der Partei vor, das Urteil bewusst hinauszuzögern. Sie stellte etliche fast gleichlautende Anträge, mehrfach Befangenheitsanträge an die Richter, mehrfach Anträge zum Ausschluss der Öffentlichkeit – alles wurde abgelehnt. Aber alles kostete Stunden. Und somit hatte sie Erfolg: Das endgültige Urteil konnte jetzt nicht gefällt werden, das Urteil wurde vertagt.
Allein das ist schon ein Eingeständnis und Eigentor, denn den Prozess hat ja die AfD angestrengt, um nicht mehr vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden. Der darf das auch weiterhin. Die AfD wird also lieber weiter vom Verfassungsschutz beobachtet, als den Prozess zu einem schnellen Ende zu bringen, mit dem sie das laut eigener Darstellung hätte beenden können. Dafür gibt es nur eine Erklärung: Den Anwälten der AfD ist längst klar, dass sie keine Argumente haben und verlieren werden. Der Eindruck wird durch die Eigentore der Anwälte noch verstärkt. Volksverpetzer war an beiden Prozesstagen im Saal und hat auch einen Live-Ticker dazu auf Threads, Mastodon und Twitter gemacht. Hier zeigen wir euch die Highlights aus dem Prozess – die Eigentore der AfD.
Dieser Anwalt der AfD scheint vielleicht durchaus etwas gegen Björn Höcke zu haben. Gut, das ist verständlich, immerhin ist Faschist Höcke mit seinen Aussagen eines der besten Argumente für ein AfD Verbot und die Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall:
Der Verfassungsschutz legte hunderte rechtsextreme Zitate gegen die AfD vor. Das Argument: (Auch) führende Mitglieder der AfD sagen verfassungsfeindliche Sachen und der Rest der Partei findet das voll okay – also ist die ganze Partei rechtsextrem. Dass Aussagen (vieler) einzelner Mitglieder für die ganze Partei stehen, ist das zentrale Argument vor Gericht. Der Faschist Höcke lieferte hier einen sehr großen Teil der Zitate. Die Anwälte der AfD hatten hier einen wirklich überragenden Konter gegen solche Vorwürfe: Höcke sage ja nicht NUR Verfassungsfeindliches: „Nicht alles, was Herr Höcke sagt, ist verfassungsfeindlich“.
Ich bin mir sicher, manchmal wünscht Herr Höcke einem auch einen guten Morgen und das verstößt nicht gegen die Verfassung. Aber gerne noch mal diese 25 Zitate vielleicht, wie: Ziel von „Remigration“ sei es, nach „der erhofften Wendephase“ (Machtantritt der AfD) „kulturfremde“ Menschen (Afrikaner und Asiaten) zu deportieren. Man werde, „so fürchte ich, nicht um eine Politik der ‚wohltemperierten Grausamkeit‘ herumkommen.“ (Höcke will diese Massendeportationen also notfalls mit Gewalt durchführen, S. 254ff.) „Auch wenn wir leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen.“ Er denke an einen „Aderlass“.
Gegen Ende des Prozesses – nach mehreren Malen, wo der AfD-Anwalt wegen jedem falschen Husten einen Befangenheitsantrag gegen die Richter stellte oder ständig verlangte, dass die Öffentlichkeit ausgeschlossen werde und wir den Saal verlassen mussten – kamen dann endlich auch mal inhaltliche Argumente. Nur halt keine guten. Der AfD Anwalt Reusch sagt ernsthaft, dass die vielen Aussagen, die den Rechtsextremismus in der Partei belegen, eben „Einzelfälle“ seien von „bildungsfernen Mitgliedern“. Er scheint Höcke nicht sonderlich zu mögen, oder?
Diese Strategie nennt man im Englischen auch „Idiot Defense“. Ähnlich haben auch die wegen gewaltsamem Umsturz angeklagten (Ex-)Trump Fans argumentiert: Sie wären einfach so doof gewesen, dass sie die falschen Aussagen über eine gestohlene Wahl eben für voll genommen hätten. Gleichzeitig argumentierte der Anwalt von Tucker Carlson bei dem rechtsextremen Propagandasender Fox News, dass kein vernünftiger Mensch seine offensichtlichen Lügen glauben würde. Auch Trump selbst hat argumentiert, einfach zu doof zu sein, um zu wissen, dass er geheime Dokumente nicht einfach aus dem weißen Haus stehlen dürfe.
Praktisch: Alle Rechten sind offenbar zu unschuldig, um Verantwortung zu übernehmen. Aber regieren wollen sie trotzdem? Wäre schon der Gipfel, wenn das Gericht solche Argumente ernst nehmen würde.
Eines der größten Eigentore ereignete sich dann ganz gegen Ende. Der Anwalt Reusch ergeht sich in einem minutenlangen Monolog, in dem er die Behauptung widerlegen wollte, dass es eine Spaltung der Partei in extrem und … noch extremer gäbe. Er sagte wörtlich, „Es gibt inhaltlich keine wesentlichen Differenzen“ zwischen dem völkischen Flügel unter Höcke und der restlichen Partei.
Ähm. Er sagt, dass die Partei nur noch aus Neonazis besteht? Dass das ein riesiges Eigentor ist, scheint ihm nicht wirklich aufzufallen. Er wollte vermutlich sagen, auch die Neonazis und Faschisten wie Höcke seien so zahm wie die immer weiter schwindenden Marktradikalen. Aber wenn wirklich die ganze Partei so ist wie der „Flügel“ , dann muss die Partei folglich als rechtsextrem eingestuft und dann letztlich als verfassungsfeindlich verboten werden.
Dass der (nur formal aufgelöste) „Flügel“ immer mehr Macht in der AfD hat, zeigen ja die Ereignisse der letzten Jahre. Meuthen musste die Partei verlassen, da er den Machtkampf gegen den Flügel verloren hatte. Meuthen wollte den rechtsextremen Abgeordneten Helferich, der sich selbst als „freundliches Gesicht des NS“ bezeichnet, aus der Partei ausschließen, aber er scheiterte. Kürzlich wurde stattdessen Helferich in den Vorstand (!) der AfD NRW gewählt. Der Rechtsextremist und Höcke-Freund Maximilian Krah wurde AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl.
Und der Anwalt der AfD gibt zu: Es gibt keine Differenzen mehr zwischen der gesamten Partei und Rechtsextremisten. Das ist buchstäblich, was der Verfassungsschutz vor Gericht argumentiert. Wäre nicht notwendig gewesen, aber danke nochmal für diese Aussage.
Laut AfD-Verteidiger ist die AfD eine Partei voller Doofer, die sich aber ganz ganz ehrlich ab und zu auch mal nicht verfassungsfeindlich äußern. Außerdem ist sie nicht rechtsextrem, was man daran sieht, dass sie keine inhaltlichen Differenzen zu den ganzen Hardcore Rechtsextremisten hat.
Die AfD ist sich ihrer Sache so sicher, dass sie den Prozess, den sie selber begonnen hat, am liebsten bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag aufschieben würde. Wir sollten uns von diesen „Argumenten“ nicht aufhalten lassen, ein Verbotsverfahren gegen die Partei auf den Weg zu bringen. Die AfD ist rechtsextrem, wir können mit der Prüfung beginnen. Was haben wir zu verlieren? Außer unsere Demokratie?
Artikelbild: Guido Kirchner/dpa (Vorsitzende Richter am Oberverwaltungsgericht (OVG), Gerald Buck), canva.com